Merken

Nackedeis in den Schlagzeilen

Rückblick 2016: Volkersdorf war für ein paar Tage berühmt. Dabei war der drohende Untergang des Abendlandes nur eine Posse.

Teilen
Folgen
© Norbert Millauer

Von Peggy Zill

Volkersdorf. Die Bild-Zeitung hat auch weiterhin Hausverbot bei den Waldteichfreunden. Auf die Aufregung, die nach einem Artikel vom Juni folgte, hätte Vereinschefin Kerstin Richter gern verzichtet. „Flüchtlingsheim bei FKK-Camp geplant – Nudisten sollen Badebekleidung tragen“ titelte das Boulevardblatt. Fürs Foto posierten vier Nackedeis am Ufer des Oberen Waldteichs. Das gegenüber geplante Asylheim im Blick. Freikörperkultur und Flüchtlinge: Das kann nicht gutgehen und passte gut zur Angst um den Untergang des Abendlandes.

So stand es zumindest in der Bildzeitung. Am Ende stellte sich heraus, dass das nicht stimmt. Und Flüchtlinge werden wohl nie nach Volkersdorf kommen.
So stand es zumindest in der Bildzeitung. Am Ende stellte sich heraus, dass das nicht stimmt. Und Flüchtlinge werden wohl nie nach Volkersdorf kommen.

Andere Zeitungen machten mit und berichteten über den „nacktesten Protest gegen ein Flüchtlingsheim“ (Bild). Focus, Stern und Online-Portale stimmten mit ein. Auch die renommierte Londoner Times, die auflagenstärkste niederländische Zeitung De Telegraaf und das polnische Nachrichtenmagazin Wprost griffen das Thema auf. Eine Redakteurin der Huffington Post kam sogar Wochen später „Ans Ende der Welt“ und schaute sich im geplanten Asylheim um. „Nicht einmal seinem schlimmsten Feind würde man wünschen, auch nur eine Nacht an diesem Ort verbringen zu müssen“, schrieb sie später.

„Auch negative Werbung ist Werbung“, sagt Kerstin Richter heute. Auf der Facebookseite des Vereins gab es viele Klicks. Aber mehr Waldteichfreunde seien sie seitdem auch nicht geworden. Dass auch Magazine, die sie vorher für seriös hielt, aus der Bild-Zeitung einfach abgeschrieben haben, habe sie enttäuscht. „Die ganze Geschichte war doch nur erdacht“, so die Vereinschefin.

Denn niemand wollte den Nacktbadern das Nacktbaden verbieten, weder das Landratsamt, noch die Deutsche Gesellschaft für Badewesen, noch die Flüchtlinge. Beim Baden würden sie diese eh nicht beobachten können. Die Waldteichfreunde springen in den Niederen Waldteich, das Heim steht am Oberen. Dazwischen liegt der Campingplatz mit vielen Bäumen.

Wie sich nach einer kurzen Recherche herausstellte, hatte der CDU-Landtagsabgeordnete Sebastian Fischer die mehrsprachige Bäderordnung zur freien Verwendung an den Moritzburger Verein geschickt. Dieser Aushang enthielt Verhaltensregelungen wie das Baden mit Badebekleidung, wie sie in normalen Schwimmbädern üblich sind. Für FKK- und Naturbäder waren sie nie gedacht, wie die Deutsche Gesellschaft für Badewesen erklärt. Man wollte den Flüchtlingen nur erklären, dass sie nicht in Straßenkleidung baden gehen dürfen.

In Volkersdorf wurde dieser Zettel nie ernst genommen oder aufgehangen. Die Boulevard-Presse griff das Thema trotzdem auf und überrumpelte die Nudisten mit ihrem Besuch. Durch den „Skandal“ entdeckte auch die AfD die FKKler als neues Klientel. Unter dem Credo „Mut zu Deutschland“ veröffentlichte die sächsische AfD Werbebanner mit der Aufschrift: „Kein Nacktbadeverbot neben Asylbewerberheim – FKK in Sachsen erhalten.“

In einem Zug mit der AfD genannt werden, davon distanzierten sich die Waldteichfreunde sofort. Gegen Flüchtlinge habe man nichts, lediglich im Landratsamt gefragt, ob ein Sichtschutz angebracht werden könnte.

Das hat sich nun auch erledigt. Die Asylbewerber sind bis heute nicht in das ehemalige Kinderkurheim eingezogen. „Und das haben wir damals schon gesagt“, so Kerstin Richter. 140 Personen sollten nach den ursprünglichen Plänen ab September kommen. „Anlässlich der Entwicklung der Asylbewerberzahlen ist auch nicht davon auszugehen, dass in den nächsten Wochen und Monaten eine Belegung der Einrichtung erfolgen wird“, heißt es in einer Beschlussvorlage des Kreistages. Daher sollten anderweitige Nutzungsmöglichkeiten des Objekts überlegt werden.

Vorschlag der Kreisverwaltung: Ein Künstlerhaus als eine Art Begegnungsstätte. Dafür soll ein Konzept erarbeitet werden. Der Sichtschutz zu den FKKlern kann dann sicher eingespart werden.