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Nachtkampf der Elbwinzer

Der April-Frost: Wein- und Obstbauern fürchten um ihre Pflanzen. Oft ist die gesamte Ernte in Gefahr.

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© André Wirsig

Von Ines Scholze-Luft

Es ist frostig am frühen Donnerstagmorgen auf dem Wackerbarth-Weinfeld in Laubach zwischen Meißen und Großenhain. Minus zwei Grad. Zu kalt für die Weinstöcke auf den sieben Hektar, für Riesling, Blaufränkisch, Spät- und Weißburgunder. Seit Stunden kämpfen vier Mitarbeiter des Staatsweinguts Schloss Wackerbarth gegen den Frost. Erwischt er die zarten Knospen an den Rebstöcken, kann es das Ernte-Aus bedeuten.

Nachtarbeit. Winzer Matthias Schuh (28) legt ein Holzbrikett nach. Viele kleine Feuer erleuchten am Donnerstagmorgen den vom Weingut Schuh bewirtschafteten Weinberg der Lage Klausenberg in Meißen. Das soll die am weitesten ausgetriebene Sorte Dunkelfelder
Nachtarbeit. Winzer Matthias Schuh (28) legt ein Holzbrikett nach. Viele kleine Feuer erleuchten am Donnerstagmorgen den vom Weingut Schuh bewirtschafteten Weinberg der Lage Klausenberg in Meißen. Das soll die am weitesten ausgetriebene Sorte Dunkelfelder © André Wirsig
Eisskulptur. Die Frostschutzberegnung verwandelt die Heidelbeeren beim Obstbau Görnitz in bizarre Gebilde.
Eisskulptur. Die Frostschutzberegnung verwandelt die Heidelbeeren beim Obstbau Görnitz in bizarre Gebilde. © Michael Görnitz
Rauchmantel. Der Strohfeuer-Qualm soll die Reben im Wackerbarth-Weinberg in Laubach zwischen Meißen und Großenhain vor Frost schützen.
Rauchmantel. Der Strohfeuer-Qualm soll die Reben im Wackerbarth-Weinberg in Laubach zwischen Meißen und Großenhain vor Frost schützen. © André Wirsig

Teamleiter Roy Paul, die zweite Nacht im Einsatz, erinnert sich an 2014, als es im unteren Bereich der Fläche starke Frostausfälle bei den 2012/13 gepflanzten Reben gab. Das soll nicht wieder passieren. Und so setzt das Wackerbarth-Team seine Hoffnung auf den Rauch, der sich von den Feuerstellen oberhalb der Weinstöcke bis hinunter zum Bach ausbreitet. Mit Holz wird angefeuert, dann folgen Grillbriketts und Kohle, um die Glut zu halten.

Etwas weiter entfernt raucht auf freiem Feld verbranntes Stroh. Wie er es bei einer Weiterbildung in der Wachau erlebte, sagt Roy Paul. Er nennt die Schwelbrände die praktikabelste Variante an diesem Standort, der zur Großlage Heinrichsburg in Diesbar-Seußlitz gehört. Dort sorgen weitere sechs Kollegen für Antifrostfeuer.

Probleme gibt es überall, wo die Kälte nicht abfließen und so die Weinstöcke schädigen kann. Auch in Radebeul, unter anderem im Weinberg Winzerstraße an der Oberen Bergstraße. Deshalb sind pro Nacht rund 20 Winzer im Einsatz, denn das Weingut greift auf rund einem Fünftel seiner 104 Hektar zum kleinen Weinbergfeuer, wie Pressesprecher Martin Junge sagt. Mithilfe kontrollierter Feuerstellen – etwa 200 insgesamt – will Schloss Wackerbarth die Spätfröste bekämpfen.

Eine Empfehlung des Weinbaurings Franken, die Wackerbarth seit 2014 anwendet. Erfolgreich, so der Pressesprecher. Mit den Franken arbeite man beim Thema Klimawandel intensiv zusammen. Dass sich inzwischen andere sächsische Winzer dieser Art des Frostschutzes anschließen, freut die Radebeuler.

Und bestärkt sie in der Hoffnung, dass sich ihr Einsatz auch diesmal lohnt. Schon nach der ersten Weinbergfeuer-Nacht zum Mittwoch erklärte Pressesprecher Junge, man sei vorsichtig optimistisch. Der Gesamterfolg werde erst in drei bis vier Wochen nach dem vollständigen Austrieb der Reben erkennbar sein.

In den sozialen Netzwerken gibt es aber auch Kritik am Feuern. Ob sich da nicht andere Antifrostmethoden finden würden, heißt es unter anderem. Beispielsweise das Hochbinden der Reben. Martin Junge: Die geeignete Methode zur Bekämpfung von Spätfrösten ist auch abhängig von der Größe der Weinberge. Andere Maßnahmen könnten bei kleinen Flächen durchaus sinnvoll sein. Bei Wackerbarth gehe es allerdings um eine Größenordnung von etwa 30 Fußballfeldern. Mit den kleinen Feuern – in den Radebeuler Lagen beim Ordnungsamt der Stadt angemeldet – werde nicht zuletzt überall in Deutschland im Weinbau und in weiteren landwirtschaftlichen Betrieben gearbeitet.

Auch im Neusörnewitzer Obstbaubetrieb von Michael Görnitz. Den hält der Frost seit Gründonnerstag auf Trab. Bei uns geht es um alles, sagt der Unternehmer. Tag und Nacht sind er und seine Mitarbeiter in Aktion. Fast alle seine Kulturen sind gefährdet, stehen sie doch gerade in voller Blüte. Nur Aronia, mittlere und späte Apfelsorten noch nicht. Für eine offene Blüte kann schon ein halbes Grad zu kalt sein.

Deshalb gibt es beispielsweise für die Obstanlagen wie rote Johannisbeeren und Stachelbeeren eine Vliesdecke, für die Heidelbeeren Frostschutzberegnung, für Äpfel und Kirschen Foliendächer. Die besonders empfindlichen Süßkirschen am Mühlenweg nahe der Cliebener Straße werden mit Dach und Holzfeuer geschützt. Hier qualmen auch am Donnerstagmorgen noch die kleinen Feuer, betreut von den Obstbauern, die aufmerksam durch die Baumreihen laufen.

Der Einsatz dürfe keinen Tag nachlassen, sonst ist die gesamte Ernte gefährdet, sagt Geschäftsführer Görnitz. Dabei können schon Frostschäden wie schwarze Flecken auf den Früchten oder ein unzureichendes Ernteergebnis dem Betrieb sehr zusetzen. Schließlich wären die Aufwendungen für Pflanzenschutz und Pflege dieselben wie bei einer guten Ernte.

Alle Kosten für den Frostschutz beziffert Michael Görnitz auf knapp 40 000 Euro. Immerhin sind 40 Mitarbeiter tagsüber im Einsatz, 20 des Nachts. Bisher ist der Chef mit den Bemühungen zufrieden, setzt auf den Sieg im Frostkampf.

Wie Matthias Schuh. Der Sörnewitzer Winzer macht dieses Frühjahr erste Erfahrungen mit Feuer gegen den Frost. Auch er hat in der Nacht zum Mittwoch begonnen und mit einem Mitstreiter 98 Feuerstellen eingerichtet, auf einem kleinen Teil des Weinbergs der Lage Meißner Klausenberg. Auf 0,6 von 3,5 Hektar stehen etwa 2 500 Dunkelfelder-Rebstöcke.

Die daneben auf der Erde entfachten Holzbriketts haben Matthias Schuh zufolge gut gebrannt. Und für die nötige Wärmezirkulation gesorgt, um die Temperatur hochzuhalten. Die kann so bis zu zwei Grad angehoben werden. Nachgeprüft hat der Betriebsleiter der Weingut Schuh GbR das an den in der Anlage verteilten Thermometern und durch den Vergleich zur Fläche ohne Feuer.

Auch die zweite Nacht mit minus 1,5 Grad hat der Klausenberg so überstanden. Mit relativ vernünftigem Aufwand, der sich lohnt, sagt der Winzer. Er hofft, dass die dritte Nacht frostfrei wird.

Bald kommt nun die Sonne hinter dem Weinberg hervor. Dann können die seit 2.30 Uhr brennenden Feuer langsam ausgehen. Matthias Schuh zieht schon mal die Glut auseinander. Und freut sich darauf, den verpassten Schlaf nachzuholen.