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Nach 12 Jahren raus aus dem Fass

Zum zweiten Mal hat die Meißner Spezialitätenbrennerei eigenen Whisky in Flaschen gefüllt. Ab Mittwoch gibt es ihn zu kaufen.

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© Claudia Hübschmann

Von Peter Anderson

Klipphausen. Das Kind soll im Mittelpunkt stehen, und Meißen mit seiner markanten Silhouette. Der Vater möchte nicht mit aufs Bild. Unter dieser Bedingung gibt Destillateurmeister Siegbert Hennig eine der raren Flaschen für den Fototermin vor der Albrechtsburg heraus.

In Hennigs Meißner Spezialitätenbrennerei Prinz zur Lippe läuft der Countdown für eine ganz besondere Produktpremiere. Ab Mittwochmorgen werden in dem unscheinbaren Betrieb im Klipphausener Ortsteil Reichenbach die Telefone heiß laufen. Dann beginnt der Verkauf für eine Rarität, die diesen Namen tatsächlich verdient.

Seit rund zwölf Jahren lagert hier Hennigs zweiter selbst gebrannter Whisky. Erst jetzt erfüllt der goldgelbe Tropfen die hohen Ansprüche seines Schöpfers. Das hat seinen Preis. Von den 360 Litern hochprozentiges Destillat, die in Reichenbach vor zwölf Jahren eingelagert wurden, sind nur rund 300 Liter übriggeblieben. Den Rest haben sich die Engel als Anteil geholt, wie es in Schottland heißt. Die physikalische Erklärung klingt dröger: Er ist durch die Holzporen hindurch verdunstet.

Ein Sprung zurück in die Whisky-Kinderstube. Kräftig nach Malz duftet es an diesem Junitag 2003 in der Reichenbacher Produktionshalle. In der Brennblase blubbert es. Zum zweiten Mal nach 2002 brennt Hennig hier einen Whisky. Nicht, weil das Getränk gerade cool ist. Der Destillateurmeister will diese Erfahrung einfach gemacht haben, sich auf diesem Gebiet beweisen. Darüber hinaus mag er den Geschmack. Über die genauen Zutaten seiner Kreation schweigt er sich aus. Ob in Schottland oder Tennessee: Jeder Brenner hat sein spezielles Rezept und hütet es.

360 Liter Maische fasst die Brennblase, ein kupferfarbener Kessel mit runder Luke. Ab rund 78 Grad steigt Alkohol als Dampf auf. In mehreren Etappen geht er durch den Verstärker, eine Art chromfarbener Zylinder auf der Blase. Anschließend werden die Dämpfe gekühlt und wieder verflüssigt. Was dann aus dem Brenngerät tropft, muss getrennt werden: in Vorlauf, Mittellauf und Nachlauf. Der Vorlauf ist qualitativ minderwertig. Den Mittellauf mit all seinen Aromastoffen entnimmt Hennig als Destillat. Der Nachlauf wird nochmals gebrannt.

Praktisch könnte die Geschichte hier enden. Mit Wasser gemischt wäre der Mittellauf schon für einen kräftigen Rausch zu gebrauchen. Nur dürfte es den Whisky-Kenner dabei schütteln. Dessen Geschmack verlangt, dass der Whisky nach dem Brennen in Holzfässern gelagert wird. EU-Regeln schreiben dafür mindestens drei Jahre vor. „Jeder Whisky, der länger lagert, ist edel und Kult“, sagt Siegbert Hennig. Deshalb habe er 2002 mit Kollegen in einer feucht-fröhlichen Runde beschlossen, den ersten im Freistaat Sachsen gebrannten Whisky mindestens zehn Jahre im Fass reifen zu lassen.

Auch wenn dabei jedes Jahr ein paar Prozent des hochwertigen Inhalts verdunsten können. Dem guten Vorsatz verpflichtet, brachte die Spezialitätenbrennerei 2012 den ersten sächsischen Whisky nach zehn Jahren Reifezeit heraus. Knapp 1 000 Flaschen gab es davon, das Stück zu 69 Euro. Nur kurze Zeit brauchte es, bis die erste Charge komplett ausverkauft war. Seitdem wird in Reichenbach jedes Jahr neuer Whisky gebrannt und in Eichenholzfässer gefüllt, deren Holz durch 30 Jahre eingelagertes Weindestillat ein noch feineres Aroma angenommen hat. Lediglich der Hauch einer Holznote bleibt zurück.

Die Bezeichnung „erster sächsischer Whisky“ bezieht Destillateurmeister Siegbert Hennig übrigens ausdrücklich auf die Neuzeit, seit Wiedergeburt des Freistaates im Jahr 1990. Schließlich gelten die Sachsen als Volk, welches sich in seiner Geschichte schon an vielem versucht hat. Deshalb könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Reichenbacher Whisky nicht vielleicht doch schon einen Vorgänger hatte.

Zum Abschluss hält Siegbert Hennig noch ein Tipp zum richtigen Genießen des Reichenbacher Whiskys bereit: Ein Tumbler-Glas – niedrig und mit dickem Boden, wie im Hollywoodfilm – kommt für ihn gar nicht infrage. Für den Kenner beginnt ein ordentliches Glas bei dem etwas bauchigen und höheren Snifter, am liebsten mundgeblasen.

Ab Mittwoch, dem 4. November, ist der zwölfjährige Whisky mit einem Alkoholgehalt von 46 Prozent verfügbar. Ganze 899 Halbliter-Flaschen sind vorhanden. Erhältlich ist das Destillat direkt in der Brennerei (03521 452096) oder unter der Nummer 03521 767616. Der Preis beträgt 96 Euro pro Flasche. Es wird pro Kunden nur eine Flasche abgegeben.