Merken

Motorradtrip auf indische Art

Der Freitaler Thomas Schneider ist mit seiner Partnerin durch Indien gereist – 2 000 Kilometer ohne Regeln.

Teilen
Folgen
© Foto: privat

Von Dorit Oehme

Freital/Rajasthan. Er öffnet die Teekiste. Sie stellt den Wasserkocher an. Dann sprudeln die Geschichten ihrer Indienreise aus Thomas Schneider und seiner Lebensgefährtin Katja heraus. Das Paar war im März zu Gast auf einer Hochzeit in Delhi. Danach tourten die Freitaler auf einem Leih-Motorrad 14 Tage durch den Bundesstaat Rajasthan.

Thomas Schneider war das vierte Mal in Indien – diesmal mit seiner Lebensgefährtin Katja. Er wunderte sich über nichts mehr.
Thomas Schneider war das vierte Mal in Indien – diesmal mit seiner Lebensgefährtin Katja. Er wunderte sich über nichts mehr. © Foto: privat
Mit Tempo 70 und vier Ziegen auf der Bundesstraße unterwegs.
Mit Tempo 70 und vier Ziegen auf der Bundesstraße unterwegs. © Foto: privat

„Beim Tee zu Sonnenaufgang war alles gut. Auch die Morgenstimmung in den Dörfern hat uns berührt“, erzählt Thomas Schneider. „Aber mit den streunenden Hunden begann die Herausforderung. Zwei wären uns fast in die Maschine gerannt“, so der 44-Jährige. „Heikle Situationen gab es ständig.“

Der gebürtige Schneeberger war zum vierten Mal in Indien. Für seine Freundin Katja war es Neuland. „An den Linksverkehr gewöhnte ich mich schnell. Doch von den Menschenmassen, dem Gehupe und dem Verkehrschaos fühlte ich mich bald wie erschlagen“, erzählt sie. „Regeln befolgte niemand. Gleich nach 500 Metern wären wir fast mit einer Rikscha kollidiert“, so die 29-Jährige. „Spätestens nach zwei Minuten zählt man die Verkehrsstraftaten nicht mehr“, sagt Thomas Schneider, der Polizist ist. Die beiden fuhren die mehr als 2 000 Kilometer lange Strecke unfallfrei. Doch in Bundi lösten sie indirekt einen Zusammenprall aus. „Neugierige Motorradfahrer drehten sich zu uns um. Dabei fuhren sie in die Mopeds vor ihnen. Es wurde geschimpft, dann ging es weiter.“

Die Freitaler waren auf einer Royal Enfield vom Typ Bullet 500 unterwegs. Die Motorrad-Marke gilt weltweit als diejenige, die am längsten kontinuierlich produziert wird. Die erste Enfield wurde 1901 hergestellt. Thomas Schneider schwärmt: Die Bullet 500 habe ihren eigenen Sound dank der Auspuffanlage im 1950er-Jahre-Stil. Der Tank ist handbemalt. Auf einer Enfield war Schneider schon mit Freunden im Himalaya. Sie überquerten in der Region Ladakh den höchsten befahrbaren Pass der Welt. Der andere Trip führte zur Gangesquelle. Thomas Schneider reist gern auf einfache Art. 2016 machte er sich mit einem Motorroller auf den Weg zum Nordkap. Auf den 9 600 Kilometern hin und zurück durchquerte er zehn Länder.

„Als wir uns kennengelernt haben, erzählte mir Thomas begeistert von seiner Nordkaptour. Voriges Jahr waren wir mit je einer Vespa in Venedig. Es war toll. Als wir auf dem Rückweg mit Tempo 20 übers Timmelsjoch zuckelten, gab es hinter uns auf der Hochalpenstraße aber einen 100 Meter langen Stau“, blickt Katja zurück. In Indien war sie fürs Kartenlesen auf den rund 250 Kilometer langen Etappen zuständig. Das erste Stück führte auf dem sechsspurigen Yamuna Expressway Richtung Agra. „Tagsüber ist es dort schon lebensgefährlich, nachts tödlich. Die Zahlen lasen wir danach in einer Zeitung. Ausgebrannte Wagen sahen wir auf der Reise oft am Rand“, sagt Thomas Schneider. Die Geschwindigkeiten seien völlig überhöht, die Fahrzeuge überladen, die Fracht meist ungesichert. „Geisterfahrer begegneten uns oft, teils fühlten wir uns als solche.“

Kurz vorm Mausoleum Taj Mahal in Agra trafen sie auf fünf Rinderherden. Die weitere Reise führte in Wüstenregionen. Im Nationalpark Ranthambore konnten sie einen ausgewachsenen Tiger beobachten. „Gleich bei der zweiten Safari. Das ist selten.“ Als sie in Udaipur ankamen, hatte Katja noch mit Henna verzierte Hände von der Hochzeit. Die Stadt gilt als Venedig des Ostens. Das Paar erholte sich in einem Bungalow am Wasser – mit Blick zum Seepalast auf der Insel Jag Niwas, dem Drehort eines James-Bond-Streifens. Die nächste Fahrt hatte es in sich: In einer Serpentine hinauf nach Mount Abu konnte Schneider gerade noch einer Ölspur ausweichen. Am Ziel war es grün, das Klima mild. Am Sunset-Point kostete der Sonnenuntergangsblick Eintritt. Sie durften auf die Dachterrasse eines Nobelhotels, dort ließ man sie allein. „Es war plötzlich ruhig“, sagt Schneider.

Katja sagt: „So eine Tour würde ich nicht wieder machen. Auch, weil mir dort als Frau oft keine Aufmerksamkeit geschenkt wurde, besonders als wir uns Pakistan näherten.“ Doch nach Delhi würde sie wieder reisen. Bei der Rückkehr in die Metropole kam ihnen der Verkehr dort sogar gediegen vor. „Das Chaos hatte seine Regeln.“