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Mord aus Habgier

Ein Schwarzarbeiter aus Tunesien soll ein befreundetes Paar grausam getötet und zerstückelt haben. Er gilt als psychisch schwer krank.

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© dpa

Sven Heitkamp, Leipzig

Leipzig. Faouzi A. verbirgt sein Gesicht nicht hinter Aktendeckeln. Der Mann mit den raspelkurzen Haaren und dem dünn gewachsenen Schnurrbart scheint sogar milde zu lächeln, als er am Mittwochmorgen in Handschellen in den Verhandlungssaal des Leipziger Landgerichts geführt wird. Der untersetzte Tunesier mit dem hellen Parka soll einen der grausamsten Doppelmorde in Sachsen verübt haben.

Im Juli vergangenen Jahres, so die Anklage, habe der 37-Jährige seine Bekannten Ali und Hadia T. aus purer Habgier in deren Wohnung brutal erschlagen und erstochen, die Körper des Ehepaares anschließend zerlegt und die Leichenteile in einem Baggersee im Leipziger Nordosten versenkt. Dort wurden ihre sterblichen Überreste fünf Tage später von Schwimmern gefunden und geborgen.

Hinter dem grausamen Verbrechen steckt offenbar eine Geschichte, die sich um Auswanderung, Schwarzarbeit, Drogen und Gewalt dreht. Denn der mutmaßliche Täter und seine Opfer kannten sich schon aus ihrer Heimat, der tunesischen Hafenstadt Bizerte am Mittelmeer. Faouzi A. ist gelernter Koch, als er 2013 nach Deutschland kommt und einen Asylantrag stellt. In Leipzig treffen sich die Freunde aus der Heimat wieder. Ali T. besorgt A. einen Job auf der Baustelle, ist sein Vorarbeiter. Beide arbeiten schwarz. T., 37, und seine fünf Jahre jüngere Frau Hadia lassen ihren alten Bekannten sogar eine Weile bei sich wohnen – bis es zum Zerwürfnis kommt.

Am 23. Juli 2016, so die Anklage von Oberstaatsanwältin Claudia Laube, klingelt Faouzi A. kurz nach Mitternacht mit einem schweren Hammer und einem Kuhfuß bewaffnet bei den T.s. Er erschlägt den Ehemann gleich an der Tür und seine Frau auf der Couch mit dem Hammer. Weil sie nicht sofort tot sind, so die Anklage, sticht er ihnen noch zigmal in den Bauch. Dann trennt A. den Leichen Beine und Kopf ab und versenkt die in Plastiktüten verpackten Körperteile am nächsten Morgen im Naturbad Ost. Alles, um die wenigen Wertsachen der T.s – etwas Bargeld, Schmuck und Handys – zu stehlen und anschließend zu verhökern, so die Anklage. A. reinigt die Plattenbauwohnung nahe der Eisenbahnstraße und positioniert die Möbel neu, um selbst dort wohnen zu können. Arbeitskollegen, die ihren Chef vermissen und denen Faouzi A.s ungewöhnliches Verhalten auffällt, informieren die Polizei. Schon am 2. August wird A. von der „Soko Bagger“ verhaftet. In den Vernehmungen belastet er die Landsleute, die ihn „verpfiffen“ haben, offenbar aus Rache. Sie seien die wahren Täter, er sei nur dabei gewesen. Die beiden Männer werden vorübergehend in Untersuchungshaft genommen, kommen aber bald wieder frei.

Nun wird A. nicht nur des Mordes und der Störung der Totenruhe, sondern auch der indirekten Freiheitsberaubung beschuldigt. Überdies soll er diverse Vorstrafen wegen Diebstahls, Körperverletzung und Drogendelikten haben.

Für Staatsanwältin Laube steht angesichts eines psychiatrischen Gutachtens allerdings fest, dass der Angeklagte unter schweren Persönlichkeitsstörungen sowie weiteren psychischen Erkrankungen leidet, und dass er nur bedingt schuldfähig ist: „Er kann zwar Unrecht einsehen, aber nicht danach handeln“, sagt Laube. Bis heute habe er eine aggressive Haltung, es bestehe nach wie vor die Gefahr, dass er andere angreife. Auch der Vorsitzende Richter Hans Jagenlauf deutet in einem rechtlichen Hinweis bereits an, dass ein Urteil den Maßregelvollzug in einer psychiatrischen Anstalt oder Sicherungsverwahrung bedeuten könnte.

„Dieser Angeklagte ist schlichtweg krank“, sagt Pflichtverteidiger Malte Heise. „Er hat sehr viel Ungemach in seinem Leben erlebt.“ Als Kind habe Faouzi A. Überfälle und Schießereien mit angesehen, später einen schweren Motorradunfall gehabt, nach dem er monatelang im Koma lag. Seine Erlebnisse und der Drogenkonsum hätten dazu geführt, dass A. kaum schuldfähig sei. Mit ihm reden könne er dennoch, so Heise. „Er versteht, was wir hier tun.“ Am Montag will sich sein Mandant womöglich zu den Vorwürfen äußern, sicher ist das jedoch nicht. Bei der Verhandlung soll auch ein arabisch-sprechender psychiatrischer Gutachter anwesend sein. Bislang hat das Landgericht für den Prozess weitere zehn Verhandlungstage bis Mitte Juli angesetzt.