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Momos teuerste Reise

Eine Familie aus dem Ruhrgebiet fand in Görlitz keine passende Fahrkarte für den Hund – und muss nun eine saftige Strafe zahlen.

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© Schmidt/Klaus, Montage: SZ-Bildstelle

Von Matthias Klaus

Görlitz. Hellwache Knopfaugen, Schlappohren, schwarzer Schopf und lustiges Schwanzwedeln – das ist Momo. Ein Cavalier-King-Charles-Spaniel, so ist die offizielle Bezeichnung des kleinen Kerls. Und er ist wahrscheinlich der jüngste Schwarzfahrer, der in einer Görlitzer Straßenbahn ertappt wurde. Momo ist gerade mal ein Jahr alt.

Mit Frauchen Elke und Herrchen Bernd Engstermann (66) war er jetzt in Görlitz zu Gast. Die gesamte Familie besucht die Neißestadt zum ersten Mal und wird wohl eher ungern an sie zurückdenken. Engstermanns sind mit dem Wohnmobil unterwegs. Sie kommen aus Sprockhövel im südlichen Ruhrgebiet, Nordrhein-Westfalen. Bevor sie nach Görlitz rollen, waren sie schon drei Wochen auf Tour: Tirol, Bodensee, Sächsische Schweiz.

In Görlitz angekommen, will die Familie mit der Straßenbahn von der Goethestraße Richtung Zentrum, Berliner Straße, fahren. Sie kaufen Fahrkarten. Nur für Momo findet sich keine, schildert Bernd Engelmann. „Ich wusste einfach nicht, welchen Tarif ich wählen sollte. Da stand zwar ermäßigter Fahrschein, aber von ,Hund‘ habe ich nichts gelesen, nur von ,Fahrrad‘“, sagt er. Da Momo nunmal kein Fahrrad ist, habe er das Ticket nicht gekauft. Dumm gelaufen, denn prompt werden Engstermanns in der Straßenbahn kontrolliert.

Es entspinnt sich offensichtlich ein großer Disput um 1,10 Euro, die für Momo hätten gezahlt werden müssen. „Natürlich wollte ich sofort eine Fahrkarte nachlösen“, sagt Bernd Engstermann. Aber aus Sicht der Kontrolleure sei das nun zu spät gewesen. Ihr Vorwurf: Beförderungserschleichung. Das kostet 60 Euro. Eine Stunde stehen Engstermanns mit den Kontrolleuren zusammen, diskutierten, eine Polizeistreife kommt schließlich dazu. „Verrückt, wir waren noch keine zehn Minuten in Görlitz und dann so etwas“, sagt Bernd Engstermann. Die Polizisten seien sehr nett gewesen, erzählt er, machen konnten sie in dieser Situation freilich auch nichts. Momo ist nun einmal schwarz gefahren, Herrchen bekam die Rechnung.

„Die Kontrolleure vor Ort haben keinen Ermessensspielraum“, sagt Frank Müller, Geschäftsführer der Verkehrsgesellschaft Görlitz (VGG). Die Betroffenen können jedoch Widerspruch einlegen. „Der Fall wird dann von uns geprüft“, sagt Frank Müller.

Kritik an der Arbeit der Kontrolleure in Görlitzer Straßenbahnen kommt immer wieder einmal auf. Sie arbeiten für die Dussmann Gruppe beziehungsweise Subunternehmen im Auftrag der VGG. In einem SZ-Beitrag hatten sie sich gegen das Image von „Ticket-Rambos“ gewehrt.

„Einer der Kontrolleure hat uns darauf hingewiesen, dass wir uns vorher im Internet über die Gebühren der Görlitzer Straßenbahn hätten schlau machen sollen. Das ist doch hanebüchen“, sagt Bernd Engstermann. Er sei sich keiner Schuld bewusst, dass Momo vorsätzlich schwarz gefahren ist. Bernd Engstermann nimmt das ganze Thema inzwischen mit Humor. Er sitzt für die CDU im Stadtrat von Sprockhövel, arbeitet als ehrenamtlicher Richter. „Da habe ich schon einige verrückte Sachen erlebt“, sagt er. Dennoch, so ganz in Ruhe gelassen hat ihn das alles dann doch nicht. Vor der Abfahrt aus Görlitz inspizierte er noch einmal den Fahrkartenautomaten und stellte fest: „Das Problem liegt im Menü des Gerätes.“ Erst im dritten Untermenü sei er darauf gestoßen, dass Fahrrad auch Hund bedeutet. „Das steht dann dort zusammen mit dem Fahrpreis“, sagt Bernd Engstermann. Seiner Meinung nach hätte bei der Auswahl „Ermäßigung“ gleich am Anfang auch „Hund“ aufgeführt werden müssen. Frank Müller will sich das jetzt selbst anschauen. „Nachgebessert wird immer wieder“, so der VGG-Chef.

Engstermanns sind derweil weiter mit Momo auf Tour, durch den Osten der Republik. „Um Land und Leute kennenzulernen und besser zu verstehen. Wir haben bis heute nur freundliche, offene Menschen getroffen“, schreibt Bernd Engstermann. Görlitz hingegen werde der Familie eher in negativer Erinnerung bleiben.