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Mitflieger gesucht

Wingly ist ein neues Internet-Portal, über das Privatpiloten freie Plätze in ihren Maschinen inserieren. Wir haben einen Anbieter aus Sachsen gefragt, warum er das macht.

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© Robert Michael

Von Andreas Rentsch

Von Großenhain bis an die Côte d’Azur sind es drei Stunden und 45 Minuten. Vorausgesetzt, man reist in einem Ultraleichtflugzeug des Typs VL3, wie es bei Jan Meißner im Hangar steht. „Das Maximaltempo dieses Zweisitzers liegt bei 280 km/h, die Reichweite bei über 2 000 Kilometern“, erklärt der Fluglehrer und deutet auf einen Kreis in der Digitalanzeige des Cockpits. Oben schneidet die gekrümmte weiße Linie durch Nordnorwegen, unten durchs Landesinnere von Algerien.

Ab Großenhain: Für Jan Meißner, der auch gewerblich Rundflüge anbietet, ist Wingly eine Möglichkeit, „den Markt zu beobachten“. Auf dem Portal bietet er Rund- und Streckenflüge mit diversen Maschinen an – von der ultraleichten VL3 über die Cessna 172 (Fot
Ab Großenhain: Für Jan Meißner, der auch gewerblich Rundflüge anbietet, ist Wingly eine Möglichkeit, „den Markt zu beobachten“. Auf dem Portal bietet er Rund- und Streckenflüge mit diversen Maschinen an – von der ultraleichten VL3 über die Cessna 172 (Fot
Ab Hoyerswerda: Mit diesem Inserenten erleben Passagiere das Lausitzer Seenland aus der Vogelperspektive. Gestartet wird vom Flugplatz in Nardt. Der Fluggerätemechaniker ist mit einem Motorsegler vom Typ Diamond Super Dimona HK36R unterwegs und stellt bei
Ab Hoyerswerda: Mit diesem Inserenten erleben Passagiere das Lausitzer Seenland aus der Vogelperspektive. Gestartet wird vom Flugplatz in Nardt. Der Fluggerätemechaniker ist mit einem Motorsegler vom Typ Diamond Super Dimona HK36R unterwegs und stellt bei
Ab Chemnitz: Dieser private Wingly-Nutzer fliegt mit einer PZL-104 Wilga von Chemnitz-Jahnsdorf aus Runden übers Erzgebirge. „Wilga“ ist polnisch und heißt übersetzt Pirol – der einmotorige Hochdecker wurde im Nachbarland gebaut. Die Maschine ist vielseit
Ab Chemnitz: Dieser private Wingly-Nutzer fliegt mit einer PZL-104 Wilga von Chemnitz-Jahnsdorf aus Runden übers Erzgebirge. „Wilga“ ist polnisch und heißt übersetzt Pirol – der einmotorige Hochdecker wurde im Nachbarland gebaut. Die Maschine ist vielseit

Wer einmal mit Meißner fliegen will, sollte die Internetseite wingly.io besuchen. Auf dieser Plattform können private Piloten inserieren, wenn sie freie Plätze in ihren Maschinen haben. Betrieben wird die Seite von einem Start-up, das 2015 in Paris gegründet wurde, jetzt aber auch nach Deutschland expandiert. Der kostenlose Service soll zu einer „Mitflugzentrale“ für die rund 45 000 Privatpiloten in Deutschland werden: Interessenten geben online ihren gewünschten Start- und Zielort ein, und das System schlägt Verbindungen vor. Bezahlt wird über den Online-Bezahldienst PayPal oder mit der Kreditkarte.

Absage bei schlechtem Wetter

Bisher ist das Angebot noch überschaubar. Ein Klick auf den Menüpunkt „Flugkarte“ zeigt, dass nur drei Piloten von Flugplätzen in Sachsen abheben. Wer den Radius größer wählt, findet als Abflugorte Berlin, Prag oder Nürnberg. Jan Meißner hat bisher zwei Rundflüge über Dresden und einen Streckenflug inseriert. Der ging Anfang März mit der VL3 nach Heringsdorf auf Usedom. Preis für Hin- und Rückflug: 224 Euro. Bedingung: ein Körpergewicht von maximal 75 Kilo.

Mit Linien- oder Charterflügen seien solche Trips schon deshalb nicht zu vergleichen, weil es weniger darum geht, schnell irgendwohin zu kommen, als vielmehr ums Fliegen an sich, sagt Meißner. Dazu kommt, dass ein Flug bei schlechtem Wetter jederzeit abgesagt werden kann oder dass sich der Aufenthalt am Zielort manchmal nur in Stunden bemisst. Was mit dem zweiten Standbein des Dresdners zu tun hat: Der 47-Jährige betreibt neben seinen zwei Flugschulen auch einen Flugzeughandel. Da kann es häufiger vorkommen, dass er mit einer Maschine zum potenziellen Kunden fliegt, um sie vorzuführen. So wie neulich in Heringsdorf.

Andererseits hat ein Flug mit ihm auch unbestreitbare Vorteile. Meißner gehört zu den erfahrenen Piloten. Laut Wingly-Profilinfo hat er bereits 5 500 Flugstunden absolviert. Da können reine Hobbyflieger in aller Regel nicht mithalten.

Es braucht aber schon eine Portion Vertrauen, sich mit einem wildfremden Menschen in eine einmotorige Maschine zu zwängen und gemeinsam abzuheben. Wingly versucht, dieses Dilemma mit diversen Sicherheitsvorkehrungen zu lösen. So müssen Piloten ihre Identität verifizieren, indem sie Adressdaten, Ausweiskopien, Flugbuchmaterial, ihre Fluglizenz, ein Gesundheitszertifikat und Angaben zu benutzten Flugzeugen hinterlegen. Außerdem existiert ein gegenseitiges Bewertungssystem, bei dem je nach Zufriedenheit ein bis fünf Sterne vergeben werden können. Bislang jedoch sind viele Pilotenprofile ohne Qualitätsurteil. In Deutschland ist die Seite erst seit Februar aktiv.

Private Luftfahrt für alle

Es sind Startschwierigkeiten, die bald überwunden sein sollen. Erklärtes Ziel von Wingly sei es, „die private Luftfahrt zu demokratisieren“, sagt Lars Klein, einer der drei Start-up-Gründer. Die rechtlichen Rahmenbedingungen jedenfalls sind vorhanden – das hat sich das Trio vom Luftfahrtbundesamt bestätigen lassen. Demnach handelt es sich bei Wingly-Flügen um „nicht gewerbsmäßigen Flugbetrieb“, für den es keine Genehmigung braucht. Voraussetzung: Die jeweiligen Maschinen sind für höchstens vier Personen zugelassen, und die Kosten für den Flug werden zu gleichen Teilen von allen Beteiligten getragen – Piloten mit eingeschlossen.

Kein schlechter Deal für Privatpiloten, die ihre Fixkosten drücken wollen. Selbst für eine kleine Cessna kostet die Flugstunde schnell 200 Euro. Für Jan Meißner, den Betreiber der Flugschule „Born 2 Fly“, hat das Konzept der Mitflugzentrale aber noch einen anderen Reiz: „Vielleicht ist mal jemand dabei, der später zu mir kommt, um seine Pilotenlizenz zu machen.“

www.wingly.io; www.born-2-fly.de