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Der Bus ist tabu

Heike Wend aus Dippoldiswalde will mit ihrem neuen zweirädrigem Rollstuhl im Bus mitfahren, darf es aber nicht. Jetzt hofft sie auf Hilfe vom Landrat.

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© Egbert Kamprath

Von Franz Herz

Dippoldiswalde. Heike Wend hatte sich von ihrem neuen Rollstuhl mehr Beweglichkeit erhofft. Das ist eine Konstruktion auf der Basis von sogenannten Segways, die laut Hersteller sogar im unbefestigten Gelände fahren. Allerdings würde die Dippoldiswalderin damit gerne im Bus mitfahren. „Mal alleine nach Glashütte, Schmiedeberg oder Dresden“, nennt sie ihre Wünsche. Doch in Busse des Regionalverkehrs Dresden darf sie damit nicht rein. Das versteht sie nicht. Sie hat sich daher kürzlich beim Besuch von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) an die Straße gestellt, um ihn auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen.

Beim Besuch von Ministerpräsident Michael Kretschmer und Landrat Geisler in Dipps trug sie ihnen ihr Anliegen vor und hofft auf Hilfe. Woanders geht‘s ja auch.
Beim Besuch von Ministerpräsident Michael Kretschmer und Landrat Geisler in Dipps trug sie ihnen ihr Anliegen vor und hofft auf Hilfe. Woanders geht‘s ja auch.

Die 48-Jährige hatte Uhrmacherin gelernt und auch fünf Jahre in dem Beruf gearbeitet, ehe eine Multiple Sklerose sie zwang, den Job aufzugeben. Es fing mit den Augen an und hat andere Körperfunktionen in Mitleidenschaft gezogen. Seit 2006 hat Heike Wend einen Rollstuhl, erst aber einen, der mit der Hand geschoben wurde.

„Von mehreren Seiten wurde mir geraten, auf einen elektrischen Rollstuhl zu wechseln“, berichtet sie. Im Internet hat sie einen gefunden, der ihr gefiel. Der Amerikaner Dean Kamen hat ein Gerät entwickelt, das zwei Räder auf einer Achse hat und sie elektronisch stabilisiert, sodass man nicht umfallen kann. Diese „Segways“ sind auch als Transportgeräte im Einsatz. In Städten wie Dresden werden damit Stadtführungen angeboten. Gesteuert wird es durch Körperbewegungen. Nach vorne lehnen bedeutet: Gas geben. Eine Bewegung nach hinten bremst.

Die Firma „frankie GmbH“ in Kirchheim unter Teck in Baden-Württemberg stellt auf dieser Basis in Zusammenarbeit mit dem Verein „Behindert-barrierefrei“ Rollstühle her. Die gefielen Heike Wend. „Die sehen nicht so nach Krankenfahrstuhl aus“, sagt sie. 2016 bestellte sie einen und ist damit zufrieden – bis auf das Problem mit dem Omnibus. „Ich habe wahrscheinlich einen Fehler gemacht. Ich habe dort angerufen in der Zentrale und gefragt, ob ich mit meinem Rollstuhl im Bus mitfahren kann“, erzählt sie. Sie wollte sichergehen. Nicht dass sie irgendwohin fährt, der eine Fahrer nimmt sie mit, und auf der Rückfahrt macht ein anderer Probleme.

Dabei hat sie eine generelle Absage bekommen. Der Rollstuhl würde auf nur zwei Rädern nicht sicher stehen. Das wäre eine Gefahr für ihre eigene Sicherheit und die anderer Fahrgäste. Das versteht sie nicht. Denn bei Aufenthalten in Schleswig-Holstein oder in Baden-Württemberg durfte sie problemlos in Busse rein und mitfahren. Außerdem hat der Rollstuhl zu seinen zwei Rädern noch Stützen, die er ausfahren kann, wenn er steht. „Der fällt nicht um“, ist sich Heike Wend sicher. Ihr früherer Rollstuhl war da wackliger. „Da mussten mich zwei Leute festhalten, als ich mal mit dem Bus gefahren bin“, erinnert sie sich.

Auch Gabriele Bayer, die Geschäftsführerin der Herstellerfirma, versteht das Problem nicht. „Unsere Rollstühle haben eine Zulassung. Ob auf Länderebene in Sachsen eine andere Regelung gilt, weiß ich nicht. Aber mir ist so etwas noch nie zu Ohren gekommen“, sagt sie.

Volker Weidemann, Sprecher der Regionalverkehr Dresden GmbH, hat von Rollstühlen auf Segway-Basis noch nie gehört. Sein Unternehmen bemüht sich, auch Menschen entgegenzukommen, die sich nicht so gut bewegen können. Dafür bietet es zum Beispiel auch Mobilitätstraining für Rollstuhl- oder Rollatornutzer an.

Das Thema Segway-Rollstuhl will er nun mit Geschäftsführer Uwe Thiele besprechen. Der wird das Thema auf seiner nächsten Dienstberatung mit Michael Geisler (CDU), dem Landrat, ohnehin auf den Tisch bekommen.

Denn Geisler war bei dem Dippoldiswalde-Besuch von Ministerpräsident Kretschmer auch dabei, hörte sich das Problem von Heike Wend mit an und versprach: „Ich werde das mit dem Chef des Regionalverkehrs besprechen.“ Zu dem hat Geisler einen kurzen Draht, denn der Regionalverkehr Dresden ist ein Tochterunternehmen des Landkreises.