SZ +
Merken

Mit Gerhard Schröder am Küchentisch

SPD-Kandidat Martin Dulig hat den Altkanzler nach Leipzig geholt. Eine Umarmung.

Teilen
Folgen
NEU!
© Sebastian Willnow

Von Sven Heitkamp, Leipzig

Martin Dulig, Spitzenkandidat der sächsischen SPD und als gelernter Maurer gewohnt, Flaschen mit dem Feuerzeug zu öffnen, musste Donnerstagabend wohl das schnellste Bier seines Lebens trinken. Kaum hat er Altkanzler Gerhard Schröder an dessen Limousinen-Tür geherzt, lassen sich die Genossen im Foyer des Leipziger Umweltforschungszentrums zwei volle Gläser bringen. Die beiden tuscheln und witzeln. „Ich dachte“, scherzt Schröder, „ich krieg ’ne Flasche.“ Fotografen und Kameraleute machen Bilder. Dann stürzen sie das Bier hinunter und in den Saal.

Die beiden kennen sich erst seit diesem Jahr persönlich. Irgendwie ist es Dulig gelungen, den Polit-Abstinenzler nach Sachsen zu lotsen. Schröder, der sonst Landtagswahlkämpfe meidet, erklärt das so: Dulig sei bei ihm in Berlin gewesen, habe von seinen Zielen erzählt, von seiner Blitz-Vita als Maurer, Diplompädagoge, Vater von sechs Kindern und Landtags-Fraktionschef. Da habe er zugesagt. Dulig habe noch viel vor sich. Der heute 70-Jährige ist genau 30 Jahre älter, es wirkt alles ein bisschen so, als würde der Vater den Sohn besuchen.

Schwamm drüber, was vor zehn Jahren war. Juso-Chef Dulig hatte damals Schröders Agenda 2010 bekämpft, ein Mitgliederbegehren vorangetrieben, mehr Mitsprache gefordert. Jetzt sagt er zum „lieben Gerd“: „Dank deiner mutigen Politik ist Deutschland vom kranken Mann Europas zur Lokomotive geworden.“ Auf der Bühne nehmen sie Platz an Duligs Küchentisch, den der Spitzenkandidat überall mit hinschleppt. Schröder fragt: „Wie passen eigentlich acht Leute an diesen Tisch?“ Dulig lacht. Es geht dann um Industriepolitik, Dulig stellt sein Wirtschaftsprogramm vor. Er will in den nächsten zehn Jahren 2,75 Milliarden Euro in Bildung investiert sehen – ebenso viel Geld wie zur Auszahlung der Ex-Landesbank. Schröder sagt: „Wie er das Geld zusammenbekommt, muss er dann als Minister sehen.“

Über sein Verhältnis zu Russland-Premier Putin und zur Ukraine sagt er beinah nichts – außer, wie wichtig die Ostsee-Pipeline ist und dass Deutschland und Europa es sich nicht leisten könnten, bei einem so starken Partner „die politische und ökonomische Perspektive aus den Augen zu verlieren“. Dazu Fragen des Publikums: keine.