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Mit dem Wind um die Ohren

Fische auszunehmen ist nicht jedermanns Sache. Für zwölf neue Lehrlinge der Fischereischule ist das kein Problem. Aus ganz Ostdeutschland kommen sie in ein kleines sächsisches Dorf.

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© dpa

Von Miriam Schönbach

Königswartha. Eiskalt liegt der tote Fisch vor Toni Sommer auf dem Tisch. Der 18-Jährige aus dem thüringischen Rheinhardsbrunn zählt mit der Präpariernadel die Weichstrahlen an der Rückenflosse. Dann wischt er sich den Schleim von den Händen und notiert die Zahl 10. Auch seine Kommilitonen beugen sich tief über die schuppigen Tiere. Die zwölf Schüler sind im ersten Lehrjahr an der Fischereischule in Königswartha (Landkreis Bautzen) - der einzigen Ausbildungsstätte für zukünftige Fischwirte in den ostdeutschen Bundesländern.

Die ersten drei Wochen Theorie liegen hinter den Jugendlichen. Die meisten kommen aus Mecklenburg-Vorpommern. So wie Kristin Metzko. Die 17-Jährige mit kurzen Haaren beugt sich über ihren Fisch und fasst ihm beherzt ins Maul. Hat das Tier Zähne? Auch das gehört zur Fischbestimmung. Die Praxis lernt sie an der Mecklenburgischen Seenplatte bei der Fischerei Müritz-Plau GmbH. Nächste Woche geht es wieder rauf auf’s Wasser.

Erst aber greift auch junge Frau zur Präpariernadel. Sie macht sich auf die Suche nach dem Schlundzahn. Fachlehrer Jens Geisler stellt sich neben die Auszubildende. „Nimm die Schere und schneide die Kiemendeckel ab, dann siehst Du besser“, rät er ihr. Vor knapp 30 Jahren drückte Geisler hier selbst die Schulbank. Damals gab es in beiden Lehrlingsjahrgängen je drei Klassen. Heute absolvieren neben dem ersten Lehrjahr 28 weitere angehende Fischwirte ihre Ausbildung im Oberlausitzer Heide- und Teichland.

Seit 1948 werden in Königswartha Binnenfischer auf den Weg gebracht. Hier - auf halber Strecke zwischen Bautzen und Hoyerswerda - arbeiten vier Fischereiunternehmen, die mehr als 1000 Hektar Karpfenteiche bewirtschaften.

Im angrenzenden Referat „Fischerei“ des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie forschen Wissenschaftler auf dem Gebiet der Binnenfischerei und des Artenschutzes. Matthias Pfeifer und seine Kollegen untersuchen seit 1994 die Schadstoffbelastung der sächsischen Elbfische. Im Herbst holt er an fünf Orten jeweils 20 Arten aus dem Wasser. In Königswartha gehen sie ins Labor. „Seit Jahren verbessern sich die Werte unserer untersuchten Tiere“, sagt Pfeifer. Bei ihm lernen die künftigen Fischwirte sie Schlachten sowie Netzknüpfen- und pflege.

Damit kennt sich so mancher Azubi schon aus, schließlich sind die meisten passionierte Angler. Deshalb kennt Steven Leinert auch den Fisch, der vor ihm liegt. „Ich gehe mit meinem Vater angeln, seitdem ich laufen kann“, sagt der 16-Jährige aus dem brandenburgischen Groß Kreutz.

Es tropft an diesem Morgen von den Bäumen auf dem ehemaligen Rittergutsgelände. Die Jugendliche verlegen ihre Sezierpause trotzdem nach draußen. „Wir mögen den Regen, schließlich sind wir nicht aus Zucker. Es macht Spaß, wenn uns der Wind um die Ohren weht“, sagt Metzko. Fischwirte müssen an Seen, Flüssen und Teichen arbeiten - bei jedem Wetter. Das wissen die Jugendlichen.

Gut ausgebildete Fachleute werden deutschlandweit gesucht. „Mit einem guten Abschluss haben hier alle eine Jobgarantie. Die Nachfrage nachhaltiger Produkte nimmt genauso wie der Biotrend zu“, sagt Geisler. In ganz Deutschland gibt es nur drei Schulen für Teichwirte: in Königswartha, in Bayern und in Niedersachsen. Zur Meisterausbildung kommen sogar Fischwirte aus dem Ausland in das kleine sächsische Dorf.

13 Wochen Theorie stehen für die angehenden Fischwirte pro Schuljahr an, den Rest der Zeit sind sie in ihren Betrieben. „Nächste Woche prüfen wir Reusen, verarbeiten Fisch oder stehen im Laden. Der Fischwirt ist heute mehr als ein Fischer. Wir vermarkten die Produkte auch selbst“, sagt Sommer. Dann zählt er bei seinem Fisch die Schuppen. 72 silberne Plättchen sind es zwischen Kiemen und Schwanzflosse. Er weiß längst, dass sein zahnloser Geselle ein Rapfen ist. Beim Angeln hatte er den Fisch schön häufiger am Haken. (dpa)