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Mit 20 auf Kurs zum Doktortitel

Als Benjamin Wolba seine erste Vorlesung an der TU Dresden besuchte, war er 16. Jetzt ist er der jüngste Doktorand.

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© Christian Juppe

Von Jana Mundus

Im ersten Moment ist Benjamin Wolba eine Enttäuschung. Er erfüllt das gängige Klischee über Hochbegabte nicht. Er trägt keine Brille, kommt nicht verschüchtert daher, ist kein Besserwisser. Wenn er von seiner Leidenschaft, der Physik, erzählt, lächelt er sympathisch. Dann versucht er, seine Faszination für Zahlen und Naturgesetze in Worte zu fassen. Sein Abitur am Radeberger Humboldt-Gymnasium hat er mit 1,0 gemacht. Danach folgten ein Bachelor- und ein Masterabschluss in Physik. Nun ist er Doktorand an der TU Dresden. Ganz normal – wäre da nicht ein Punkt: Benjamin Wolba ist erst 20 Jahre alt.

Eigentlich mag der junge Mann das Wort hochbegabt gar nicht. Sich selbst würde er nie so bezeichnen. „Ich interessiere mich einfach sehr für Physik.“ Schon mit 13 war das so. Damals hatte er etwas über Quantenmechanik gelesen und wollte wissen, was das ist. Doch für den Physikunterricht in der Schule ist diese Theorie über die Eigenschaften von Materie viel zu kompliziert. Durch seine Lehrer erfährt Benjamin von einem Angebot der TU Dresden: dem Frühstudium. Es bietet Jugendlichen die Möglichkeit, neben der Schule bereits Vorlesungen in einem Wunschfach zu besuchen. Die erworbenen Scheine können für ein späteres Studium sogar angerechnet werden. Damit sollen vor allem leistungsstarke Schüler gefördert werden.

Verstehen statt Büffeln

Mit Beginn der zehnten Klasse besucht Benjamin zweimal pro Woche Vorlesungen zu den Grundlagen der Elementarphysik. Die Radeberger Schulleitung hatte das genehmigt. Für die Übungsgruppen, die eigentlich zu den Vorlesungen gehören, ist er allerdings nicht freigestellt. Also rechnet der Schüler zu Hause einfach selbst. Am Ende des ersten Semesters schreibt er die Abschlussklausur mit: volle Punktzahl. Lukas Eng, Professor am Institut für Angewandte Physik, lädt ihn daraufhin zum Gespräch ein. „Durch seine Unterstützung durfte ich danach Veranstaltungen besuchen und Klausuren mitschreiben, die für Frühstudenten eigentlich gar nicht vorgesehen waren.“ Für alle Fächer des Bachelor-Studiengangs, die er nicht belegen kann, bittet er Mitstudenten um Hilfe. Sie kopieren ihm Arbeitsblätter, geben ihm Mitschriften. Es entwickeln sich Freundschaften. „Komisch fand das zum Glück niemand, dass da ein 16-Jähriger mitstudiert.“

Schule und Studium gleichzeitig – das war eine Frage guter Organisation, sagt Benjamin Wolba. Zugefallen sei ihm nichts. „Ich habe dafür hart gearbeitet.“ Während andere am Nachmittag zum Fußballverein gegangen sind, hätte er sich eben gern mit Physik beschäftigt. „Ich wollte schon immer Dinge verstehen, sie begreifen.“ In der Schule müsste vieles auswendig gelernt werden. Das wäre nicht sinnvoll. Da seien die Sachen nach der Klausur gleich wieder raus aus dem Kopf. Trotzdem gibt es Fächer, da musste auch er auf bloßes Lernen ausweichen. Musik war so ein Fach. „Ich bin nicht sonderlich musikalisch. Aber die Musiktheorie basiert ja auch auf Gesetzmäßigkeiten. Die habe ich eben gelernt.“ Im Jahr 2015 schreibt er sein Abitur und parallel dazu gleich seinen Bachelorabschluss. Stressig sei das gewesen. „Aber ich wollte es eben unbedingt.“

Das mit dem Wollen, das mit dem Orientieren an Zielen, das kann Benjamin Wolba gut. Im Oktober 2015 startet er ins Physik-Masterstudium – und hat schon ein ehrgeiziges Vorhaben. In Absprache mit Lukas Eng, der ihn in der Schulzeit betreut hat, plant er ein Forschungsjahr in Australien. Schon im Frühjahr 2016 soll es losgehen. Damit er abreisen kann, müssen bis dahin aber wichtige Leistungen für den Master erbracht sein. Also packt er sich alle geforderten Fächer und Klausuren in nur ein Semester. Das Klischee vom Studenten, der lange schläft und lange feiert – auch das funktioniert bei dem 20-Jährigen also nicht. „Freizeit habe ich aber trotzdem“, sagt er. Sport ist sein Ding. Wandern geht er gern. „Oft auch mit Freunden, die übrigens nicht alle Physiker sind.“

Seit dem Frühjahr ist er zurück in Dresden. Das Jahr in Australien hat ihn vorangebracht. Nicht nur in Sachen Physik. Drei Monate lang hat er nach der Forschungsarbeit noch das Land bereist. „Ich habe so viele interessante Menschen kennengelernt, das war großartig.“ Von den australischen Physik-Kollegen wurde er nur selten auf sein Alter angesprochen. „Die meisten schätzen mich eh immer älter.“

Mit 20 Jahren ist er nun der jüngste Doktorand an der TU Dresden. Drei Jahre hat er Zeit, um seine Doktorarbeit zu schreiben. Viele verlängern am Ende gern, weil sie es nicht schaffen. Wolba ist zuversichtlich. „Momentan denke ich, das müsste machbar sein.“ Der Plan für die Promotion steht. Zusätzlich noch ein anderer. Der Dresdner will ein Buch schreiben. Mit Tipps für Leute wie ihn, die ihren Interessen schon als Schüler folgen und ein Frühstudium beginnen wollen. Ein Buch zu schreiben – für manche ein Lebensprojekt. Für Benjamin Wolba nicht. Nächstes Frühjahr soll es erscheinen.