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„Millionen versenkt“

Ein Unternehmer sieht bei der Porzellan-Manufaktur Meissen unerlaubte Beihilfe. Dafür erhält er Beifall - und einige Kritik.

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© Claudia Hübschmann

Von Dominique Bielmeier

Meißen. Dietmar Wagenknecht hat noch längst nicht seinen letzten Brief in Sachen Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen geschrieben. Erst am Freitag sendete der Chef einer Werkzeugbau-Firma aus Ebersbach-Neugersdorf in der Oberlausitz das neueste Schreiben an das Finanzministerium: einen „formlosen Antrag auf Überprüfung und Einsicht in Unterlagen, wegen Verdacht der unerlaubten Beihilfen bei der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meißen GmbH und der Meißen Porzellan-Stiftung GmbH“. „Ich lasse da nicht locker. Das wird jetzt immer heftiger“, verspricht der Unternehmer im Gespräch mit der SZ.

Der 54-Jährige hat sich in der Vergangenheit schon an mehrere Landtagsabgeordnete sowie den Landtagspräsidenten Matthias Rößler (CDU) gewandt. Sein größter „Erfolg“ bisher: Das Ministerium teilte ihm mit, dass eines seiner Schreiben an den Generalstaatsanwalt des Freistaates Sachsen weitergeleitet wurde.

Aber warum hat sich der Unternehmer überhaupt so sehr in die weit entfernte Porzellan-Manufaktur verbissen? Alles begann mit einem kurzen Zeitungsartikel vom 27. Oktober 2017. Damals berichtete die SZ, dass Meissen eine Finanzspritze von 28 Millionen Euro vom Freistaat als alleinigem Gesellschafter erhält. Damit sollte der Betrieb zu seiner alten Stärke, der Produktion hochwertigen Porzellans, zurückfinden. „Da gehen bei mir die Alarmglocken an“, sagt Wagenknecht. Seit 35 Jahren arbeite er in seinem Betrieb, seit 15 Jahren führe er ihn alleine. „Wir sind zehn Mann, unser Betrieb ist absolut schuldenfrei und wir zahlen Bestlöhne“, sagt Wagenknecht. „Mir geht es gut und ich habe null Sorgen.“

Kritik auch aus dem Landkreis

Aber er sehe auch Kleinstunternehmer, die mit 55 Jahren ihr Gewerbe abmelden müssten, weil sie keine Chance mehr hätten, noch einmal in die gesetzliche Krankenversicherung zu wechseln und ihnen deshalb die Altersarmut drohe. „Und dann liest man solche Sachen, wie so ein Verschludern passiert.“ Er schaut in den Konzernabschluss der Staatlichen Porzellan-Manufaktur des Jahrs 2016, der im Bundesanzeiger online einsehbar ist. Ein Konzernbilanzverlust von knapp 46 Millionen Euro ist dort aufgeführt. Wagenknecht rechnet die letzten Finanzspritzen an die Manufaktur gegen und kommt auf eine Summe von über 90 Millionen Euro, welche die Manufaktur in den vergangenen Jahren „versenkt“ habe. Die Ende 2014 gegründete Stiftung ist für den Unternehmer nur ein weiteres Mittel, um der Manufaktur Liquidität zu verschaffen. „Aber 92 oder 93 Millionen minus – das geht gar nicht mehr zu retten.“

Mit seiner Meinung steht der Oberlausitzer Unternehmer keineswegs alleine da. Auch aus dem Landkreis werden Stimmen laut, die die Finanzspritzen an die Manufaktur kritisieren. „Mit Steuergeldern und EU-Mitteln künstlich am Tropf gehalten“ werde diese, kritisiert beispielsweise ein Unternehmer aus Coswig unter einem SZ-Meißen-Artikel auf Facebook. Dafür erhält er Zustimmung, aber auch Widerworte, zum Beispiel vom Linke-Politiker Tilo Hellmann. „In Bezug auf die Manufaktur müssen wir uns da nur ehrlich machen und sagen, ja, das ist Kulturgut, wie Moritzburg, das Grüne Gewölbe und Altzella“, argumentiert er. Die genannten Beispiele seien ebenfalls hochgradig unrentabel.

Im Gespräch mit der SZ erläutert Hellmann seinen Standpunkt genauer. Die Argumente von Dietmar Wagenknecht, dass die Zuschüsse an die Manufaktur Insolvenzverschleppung und Steuerbetrug seien, findet er absurd. Über die insgesamt 32 staatlichen Beteiligungen des Freistaats könne man streiten, warum das Gestüt in Moritzburg beispielsweise nicht im Portfolio auftauche. Auch die Art und Weise, wie das Geld an die Manufaktur geflossen sei – „am Parlament vorbei direkt aus dem Grundstock“ – kritisiere seine Partei. „Das ist ein Töpfchen, worüber der Finanzminister in Eigenregie entscheiden kann.“

Von den 32 Beteiligungen habe der Freistaat die Mehrheit an 20, davon wiederum seien elf defizitär. „Und kein Mensch schreit auf, wenn wir unsere Schlösser und Gärten mit Geld, in Anführungsstrichen, zupumpen“, sagt Hellmann. „Aber auch damit machen wir an sich keinen Gewinn.“ Wenn man anfange, die Manufaktur ähnlich zu sehen, nämlich als erhaltenswertes Kulturgut, dann seien Zuschüsse auch gerechtfertigt. „Dann muss man aber wiederum sagen, dass man sich auf den Kernbereich besinnt“, so Hellmann. „Und dazu gehört für mich nicht irgendwelcher Nippes.“ Die „Höhenflüge von Kurtzke und Biedenkopf“ bezeichnet Hellmann als Millionengrab. Das Umsteuern, nachdem die frühere Strategie gescheitert sei, koste eben noch einmal Geld. „Das muss ich dann auch zugestehen.“

Hellmann kennt den neuen Kurs der Manufaktur, seit dieser im Haushalts- und Finanzausschuss vorgestellt wurde – allerdings unter Geheimhaltung, aus unternehmerischem Interesse. Zu 90 Prozent teile er das, was dort mitgeteilt wurde. „Ich denke, dass wir auf einem richtigen Kurs sind und sehe das Geld, was noch einmal geflossen ist, zwar nicht gelassen, aber als richtig eingesetzt.“

Denn was wäre im Moment die Alternative? „Man stelle sich einmal die Schlagzeilen vor, würde plötzliche die Staatliche Porzellan-Manufaktur Insolvenz anmelden“, sagt Hellmann. „Das wäre ein Armutszeugnis für uns.“

Gelassen sieht die Vorwürfe aus der Lausitz und dem eigenen Landkreis übrigens die Manufaktur selbst. „Wir haben eine vom Gesellschafter geprüfte und bestätigte Zukunftsstrategie“, teilt Sprecherin Sandra Jäschke auf Anfrage mit. „Mehr gibt es aus unserer Sicht dazu nicht zu sagen.“