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Meissener zum halben Preis

Die Manufaktur plant eine neue Billig-Schiene und spricht erstmals offen über Fehler der Vergangenheit.

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© Thomas Kretschel

Von Peter Anderson und Ulf Mallek

Tillmann Blaschke gewährt einen Blick durchs Schlüsselloch. Auf dem Bildschirm seines Blackberry-Handys zeigt der Chef der Porzellan-Manufaktur erste Bilder von neuen Dekoren. Den Anlass für die improvisierte Präsentation liefert der Besuch des japanischen Generalimporteurs von Meissener Porzellan Masanobu Hashida. Rund ein Zehntel ihres Jahresumsatzes von etwa 40 Millionen Euro realisiert die Manufaktur in dem fernöstlichen Königreich.

Mit flinken Fingerstreichen wischt Blaschke über sein Funktelefon. Immer neue Bilder tauchen auf. Eins haben sie alle gemeinsam: Weiße Teller in moderner Form tragen am Rand oder in der Mitte eine farbige Variante des Zwiebelmusters. Die frischen Entwürfe könnten die Produktion des Unternehmens revolutionieren. Blaschke spricht von „technischen Dekoren“. Im Gegensatz zur traditionellen Aufglasurmalerei in Handarbeit werden diese Muster maschinell, zum Beispiel mithilfe spezieller Drucker, aufgebracht.

Für den Käufer bietet das Verfahren zwei Vorteile: Diese Meissener Teller sind künftig spülmaschinenfest und kosten den halben Preis. Am 4. Juli soll in einer Aufsichtsratssitzung über die Serienfertigung des Services und weitere strategische Entscheidungen abgestimmt werden. Für die Herstellung spülmaschinenfester Dekore dürften erhebliche Investitionen nötig werden.

Doch hat die einleuchtende Idee nicht einen Haken? Ist bedrucktes Meissener eigentlich noch echtes Meissener? Tillmann Blaschke kann keinen Widerspruch erkennen. Die Kunden kauften auch sehr gern weißes Porzellan. Die Manufaktur hebt sich nicht allein durch Handmalerei von anderen Herstellern ab. Das Unternehmen gewinnt den Rohstoff Kaolin in einem eigenen Bergwerk. Das ist einmalig in der Welt. Ebenso die weiterhin stark handwerklich geprägten Produktionsmethoden, argumentiert der Manufaktur-Chef.

Porzellan reicht doch

Masanobu Hashida hört konzentriert zu. Seit 36 Jahren verkauft der Geschäftsmann Meissener Porzellan in Japan. Tillmann Blaschke ist sein fünfter Meissen-Chef. Zu dem weltweiten Expansionskurs der vergangenen Jahre hat er eine klare Meinung. Die Strategie unter Christian Kurtzke sei für ihn und die Kunden in Japan sehr überraschend gewesen, um nicht zu sagen verstörend.

Über 300 Jahre habe Meissen die Balance zwischen Tradition und Innovation im Porzellanbereich gewahrt. Für jede Generation schuf das Unternehmen passende Produkte. Plötzlich sollte dies nicht mehr genügen. Porzellan allein reiche nicht, um die Manufaktur zu erhalten, so Kurtzkes Mantra. Deshalb müsse Meissen zu einer internationalen Marke mit Möbeln, Handtaschen, Kleidchen und Schmuck ausgebaut werden.

Masanobu Hashida schüttelt den Kopf. Er sieht das anders. Für Japan kann er nicht bestätigen, dass sich mit Porzellan kein Geld verdienen lässt. Seine Kunden bewundern die ungebrochene Tradition der Manufaktur. Die größte Herausforderung für ihn ist es, jedes Jahr im Voraus zu erkennen, welche Trends sich im japanischen Markt abzeichnen, so der Generalimporteur. Dieses Jahr zum Beispiel registriert er eine große Nachfrage nach Vasen.

Von Meissen-Chef Tillmann Blaschke gibt es zustimmendes Nicken. Die Analyse des japanischen Partners stützt seine Argumente gegen ein Aufweiten der Marke. Vor allem in den europäischen Märkten habe es Meissen in den vergangenen Jahrzehnten versäumt, Angebote für jüngere Käuferschichten zu entwickeln. „Das Unternehmen hat dann versucht, diese Schwäche durch Ausflüge in andere Produktsegmenten zu übertünchen“, so Blaschke. Dies allerdings ging gründlich schief. 2014 schlug ein Rekordverlust von 20 Millionen Euro zu Buche.

Blaschke will den Einbußen der vergangenen Jahre mit einer Produktoffensive im Porzellan-Bereich begegnen. Die nahezu komplett heruntergefahrene künstlerische Entwicklung werde personell deutlich verstärkt, allerdings in neuer Form. Denkbar wäre eine Zusammenarbeit auf Honorarbasis mit kreativen Gestaltern, die aus der Manufaktur stammen, mittlerweile jedoch selbstständig sind.

Zudem sollen die Partner in den Auslandsmärkten helfen, individuell auf die einzelnen Weltregionen zugeschnittene Produkte zu entwickeln. Masanobu Hashida liefert hierfür die Blaupause, sagt Blaschke. Regelmäßig rege der Partner neue Produkte an und entwickle diese mit, lobt Blaschke. Dem japanischen Traditionsbewusstsein gemäß, allerdings nur mit Aufglasurmalerei in Manufaktur.