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Meissener Whisky für 2025

Siegbert Hennig brennt zurzeit seine jährlichen 400 Liter Whisky. Wenn er nicht aufpasst, muss der Zoll her.

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Ulrike Keller

Die wertvollste Zutat lagert in einem unspektakulären Transportbehälter. 6.000 Liter Maische hält er unter Verschluss. Die Zusammensetzung des vergorenen Gemischs ist streng geheim. Lediglich Destillateurmeister Siegbert Hennig und zwei Vertrauensmänner der Schwerter Brauerei zählen zum Kreis der Wissenden. Die Brauerei liefert die spezielle Flüssigkeit. Auch für die kommenden Jahre ist die Zusammenarbeit gerade besiegelt, erzählt Hennig erfreut.

Beherzt schiebt der Mann in der blauen Latzhose einen dicken geriffelten Schlauch in das braune Gemisch. Es wird in den Bauch der kupfernen Brennblase gepumpt. 360 Liter fasst diese. Um am Ende ein 400-Liter-Fass für einen Jahrgang voll zu bekommen, muss er rund 20 Mal brennen.

Das tragbare Festnetztelefon in der Brusttasche meldet sich. Seit dem Rekord-Ausverkauf seines Erstlingswhiskys im vergangenen Dezember kommen noch immer täglich Anfragen. Jeder dritte Besucher, der am Stand der Meissener Spezialitätenbrennerei auf der Proschwitzer Weihnacht Halt machte, stellte dieselbe Frage: „Wann gibt’s den nächsten Whisky?“ Hennig bleibt eisern: erst 2015. Verbindlich bestellen, einen Anteilsschein kaufen – zu alldem wären die meisten Interessenten schon jetzt bereit. Aber der Chef winkt ab. „Wenn er mir gar nicht gefällt, hänge ich eine Fahne raus und trinke ihn mit denen, die kommen“, sagt er zu einem Besucher. Der guckt verdutzt und entgegnet: „Na hoffentlich sehe ich dann die Fahne.“

In der Brennerei in Reichenbach breitet sich ein malziger Duft aus. Doch mit Bier hat das nichts zu tun, klärt Hennig auf. „Wenn man Bier nimmt, entsteht Bierbrand, aber kein Whisky, obwohl die Technologie fast die Gleiche ist.“ Während der Inhalt in der Brennblase ansteigt, bildet sich auf der Maische eine Schicht Schaum. „Fürs Brennen ist der eine Katastrophe“, wettert Hennig. Schaum spricht zwar auch für die gute Qualität der Maische. Doch die enthaltenen Eiweißverbindungen lassen ihn beim Erhitzen schnell aufsteigen. Gerät die weiße Masse dabei in den Kühlkreislauf, muss er die gesamte Anlage zusätzlich reinigen. Das macht einen Besuch des Zolls erforderlich. Denn die Vorrichtung, aus der am Ende des Brennens das Destillat fließt, steht wegen der abzuführenden Alkoholsteuer in einem verschlossenen Glaskasten. Nur der Zoll darf die versiegelten Schrauben lösen.

Die Brennblase ist voll. Mit flinken Handbewegungen hebelt der Destillateurmeister die Luke zu. Das Dampfventil dreht er auf: „Jetzt gebe ich Vollgas.“ Die sechs bis acht Grad kalte Maische wird unter ständigem Rühren erhitzt. Dämpfe steigen langsam nach oben. Der Auftakt des drei- bis dreieinhalbstündigen Brennvorgangs. Als der Zeiger nach rund dreißig Minuten auf knapp unter 100 Grad Celsius zeigt, hat sich das anfängliche Zischen zu raumfüllendem Lärm entwickelt. Es ist allerhand los im Kupferturm über der Brennblase. Hinter den vier runden Fenstern dampft und spritzt es in immer größeren Höhen. „Übers Verdampfen und Kondensieren wird ein Alkoholgehalt von maximal 86 Volumenprozent erreicht“, erklärt Hennig.

Über ein Rohr gelangen die Dämpfe in den langen schlanken Edelstahlzylinder nebenan, den Kühler. Dort läuft dem Destillat im Gegenstrom kaltes Wasser entgegen. Der gasförmige Stoff wird wieder flüssig. Am unteren Ende des Zylinders in einer Glasglocke zeigt eine Spindel die Alkoholstärke an. Hennig hat darauf ständig ein Auge. Er muss die Phase abpassen, in der das Destillat bei korrektem Alkoholgehalt genau die gewünschten Aromen entfaltet.

Der 54-Jährige hält den richtigen Moment für gekommen. Er lässt das hochprozentige Resultat in ein geschlossenes Metallfass laufen. Dann nimmt er eine Probe. „Weich, mild, malzig“, kommentiert er. Vor allem aber ist das Destillat farblos. Im Holzfass löst der Alkohol neben Aromen auch Farbstoffe aus dem Holz heraus. Nach etwa zehn Minuten kostet er erneut: „Jetzt kommt’s rauchig, mit Tönen von dunkler Schokolade“, schwärmt der Brennmeister.

Die Ausbeute pumpt er in ein Fass aus französischer Limousin-Eiche, das 30 Jahre Weindestillat umschloss. In einem solchen gelang ihm bei seiner Whisky-Premiere nach zehn Jahren Reifung das gelobte Aroma mit nur einem Hauch Holz. Alle weiteren Jahrgänge sollen nun mindestens zwölf Jahre im Fass liegen. Auch dieser. Laut europäischer Spirituosenverordnung würden drei Jahre reichen. „Alles darüber ist Kult“, sagt Siegbert Hennig. „Aber schöner Kult.“