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Mehr als nur Nachbarn

Die Musikerin Sarah Brendel und das Refugeeum helfen Flüchtlingen in Röhrsdorf – auf ganz besonders familiäre Weise.

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© Marko Förster

Von Heike Sabel

Röhrsdorf. Manchmal setzt sich Sarah Brendel einfach mit ihrer Gitarre zu den Kindern. Sie ist Musikerin, lebt im Schloss Röhrsdorf und macht dieses Jahr eine Konzertpause – aber keine Pause von der Musik. Musik lässt die Kinder friedlich werden, nimmt ihnen die Angst – auch vor Geräuschen. Lange hörten die Kinder nur Bomben, Flugzeuge, einstürzende Häuser, schreiende Menschen. Die Kinder sind Flüchtlinge, die nun in Röhrsdorf und benachbarten Dörfern leben.

Sarah Brendel und ihr Mann Stevie hatten die Idee für ein Zuhause-Flüchtlingshaus und das Refugeeum. Inzwischen ist das Team auf etwa 15 Mitglieder gewachsen und ein Verein und mehrere Flüchtlingsfamilien sind da. Zuerst zog eine Familie aus Afghanistan in Röhrsdorf ein. Das war vor neun Monaten. Drei syrische Frauen mit ihren Kindern leben jetzt im Nachbardorf in einem Haus mit einem großen Garten, das der Refugeeum Verein ebenfalls betreut. Als Sarah Brendel das erste Mal in diesem Garten auf einer Bank saß, betete sie: Gott, schick’ uns eine Familie mit vielen Kindern, hier ist so viel Platz. Und so kam es. Nun werden die Syrer hier langsam wieder geheilt, vor allem an der Seele. Die Körper haben zwar auf der Flucht gelitten, eine der Frauen war hochschwanger, doch sie tragen nicht die Spuren des Krieges. Häuser und Autos wurden zerbombt und überall wurde geschossen. Jetzt ist der Garten wie eine Oase.

Eine dritte Familie lernte Sarah Brendel im Supermarkt in Heidenau kennen. Sie sah, sie brauchen Hilfe. Die Frau war schwanger. Sarah sprach sie an, jetzt besucht sie diese. Besonders die afghanische Familie habe sich gut eingelebt. Das Refugeeum-Team hat viel organisiert, die Familie zu Ärzten und Behörden begleitet. Die Kinder sind in der Schule und im Kindergarten, das Deutsch wird täglich besser.

Das Team hat viel Zeit und Kraft investiert, nun sind alle entspannter. Der Wunsch, einen guten Boden zu schaffen, auf dem die Flüchtlinge ihr eigenes Leben aufbauen können, ist erfüllt. Die Flüchtlinge sind selbst- und eigenständig. Aus Helfern und Hilfebrauchenden sind Freunde geworden, sagt Sarah. „Wir machen keinen Haken hinter etwas, was wir erledigt haben, es geht um Freundschaft.“ Das Team besucht die Familien regelmäßig – zum Chai trinken, Deutschlernen …

Drohbriefe, eine Frau, die ihr vor die Füße spuckte, Anfeindungen, die Abschiebung ihrer Freunde nach Albanien: Auch das gehört zu den vergangenen Monaten. Aber es hält Sarah nicht davon ab, Gutes zu tun. „Sonst wird man bitter.“ Ihr sei oft geholfen worden, oft auch nicht. „Gerade jetzt ist die Not so groß und wir können helfen, sie zu lindern“, sagt sie und will auch die verstehen, die kein Mitgefühl haben und sich benachteiligt fühlen, „Trotzdem können wir freundliche Nachbarn sein und respektvoll miteinander leben.“

Zeit für Ideen

Sarah Brendel war vor Kurzem mit ihrer Tochter per Auto in Albanien. Die Familie besuchen, die hier zu Freunden geworden war und die abgeschoben wurde. Es war wichtig für Sarah, sie dort zu sehen, wo sie leben. Nun überlegt sie, wie sie diese Familie unterstützen kann, die in schlimmer Armut lebt. Nicht einfach mit Geld, sondern so, dass sie sich selbst ihren Lebensunterhalt erarbeiten kann. Wieder geht es um den Boden. Sarah hat schon eine Idee, aber die braucht noch Zeit. Eine andere Idee ist schon greifbar. In Kürze gibt es ein Refugeeum-Büro in Röhrsdorf. Das wird derzeit gemeinsam vorgerichtet. Künftig wird das Refugeeum Sprechstunden anbieten, für die, die helfen wollen und die, die Hilfe brauchen. Im Herbst will das Refugeeum- Team Nachbarn und Geflüchtete zu einem Willkommen- und Begegnungsfest mit Kaffee und Kuchen in Röhrsdorf einladen.

Sarah Brendel gibt dieses Jahr keine Konzerte, eine Pause von der Musik ist es nicht. Sie schreibt Lieder – „Musik ist mein stärkstes Ausdrucksmittel“ – macht mit den Kindern Musik, gibt Gesangsunterricht im Schloss Röhrsdorf. Zum Jahresende gibt es dort wieder ein Konzert von ihr. Dann werden all die Geschichten erzählt, die sie dieses Jahr erlebt hat.

Vielleicht auch die von zwei afghanischen Mädchen, die eine Frau der Röhrsdorfer Künstlerkommunität besuchen wollen, in einwandfreiem Deutsch nach dem Weg fragen und denen Sarah zeigt, wo sie klingeln müssen.

www.refugeeum.org