Leipzig
Merken

Materialschlacht mit Maus und Tastatur

Die Leipziger Messe richtet mit der Dreamhack die größte Party der Computerspieler aus.

 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
© Sebastian Willnow

Von Sven Heitkamp, Leipzig

Auf der Leipziger Messe herrscht mitten am Tag tiefschwarze Nacht. Die Lichter in Halle 4 sind aus. Zu sehen ist nur das bunte Flimmern von 1 500 großen Computerbildschirmen an endlosen Tischreihen. Davor sitzen junge Leute mit Kopfhörern, sie ballern mit Maschinengewehren, rasen mit Rennautos, sie lösen Aufgaben, klicken, reden, lachen, schimpfen. Eine Materialschlacht mit Maus und Tastatur. Es ist „Dreamhack“-Zeit, Deutschlands größter Treff für diese leidenschaftlichen Computerspieler. Vorigen Januar war Premiere mit 1 000 Hobby-Zockern, einigen weltweit bekannten Profis und Prominenten. Dieses Wochenende kamen schon 500 „Gamer“ mehr. Manche spielten von Freitagmittag bis Sonntagnachmittag 52 Stunden durch, schliefen höchstens kurz auf einer Luftmatratze, duschten im Unisex-Container und tranken ständig Energiedrinks.

Nachdem Leipzig 2009 eine seiner erfolgreichsten Messen – die Games-Convention – an die Konkurrenz in Köln verlor, hat sich die Messestadt die „Dreamhack“ geholt. Im schwedischen Smaland, wo sie erfunden wurde, kommen zum Ursprungsevent inzwischen sogar 22 000 Menschen, die alle in einem lokalen Netzwerk (Lan) gegen- und miteinander zocken. Sie steht als größte Lan-Party der Welt im Guinness-Buch der Rekorde. Nun etabliert sich auch Leipzig als neues Mekka der Online-Spieler. Statt einer sind nun schon zwei Hallen voll.

Zu den jungen Menschen an den Tasten gehören auch Jan aus Hamburg und Cara aus Köln. Jan ist 1994 in Dresden geboren, heute studiert er in Hamburg Spieleentwicklung, zwischendurch war er auch zwei Jahre in Dresden. Schon zur Dreamhack-Premiere 2016 war er in Leipzig. „Die Atmosphäre ist toll, die Stimmung ist super“, sagt Jan. „Man trifft viele Freunde und lernt neue Leute kennen – es sind einfach alle da.“ So wie Cara aus Köln. Die beiden haben sich erst am Vormittag „in echt“ kennengelernt, obwohl sie sich schon seit Monaten aus den Dreamhack-Foren im Internet kannten. Jan nahm Cara in sein Team „Fabulous“ auf. Nun zocken sie nicht nur virtuell miteinander, sondern am gleichen Tisch, im gleichen Team-T-Shirt. Die erste Nacht haben sie durchgemacht, die zweite im Messehotel geschlafen. „Mit Luftmatratze und Einheitsdusche – das ist mir zu krass“, sagt Cara. Obwohl die beiden friedlich aussehen, spielen sie am liebsten harte Actionspiele wie „Counter-Strike“ oder „Rainbow Six“. Dafür baut die Leipziger Messe ein gigantisches Netzwerk auf: 18 Kilometer Kupferkabel, fünf Kilometer Glasfaserkabel, 50 Netzwerk-Weichen. Durch die Stränge werden an drei Tagen so viele Daten über das Internet gejagt, wie 2 000 Haushalte in einem ganzen Jahr verbrauchen.

Markt mit Milliardenumsätzen

Der Aufwand lohnt sich. Denn das Geschäft mit den Gamern ist inzwischen ein Milliardenmarkt. Der Umsatz mit Computer- und Videospielen sowie Spielekonsolen kletterte 2015 um mehr als vier Prozent auf 2,8 Milliarden Euro – keine andere Medienbranche wächst so dynamisch, sagt der Branchenverband für interaktive Unterhaltungssoftware. Um das zu verstehen, muss man nur mal kurz mit „Trilluxe“ reden, der im richtigen Leben Lennart K. heißt, 23 Jahre alt ist und aus Duisburg kommt. Wenn „Trilluxe“ „Counter-Strike“ an seinem Computer spielt, wird das live übertragen und als Video aufgezeichnet, sodass andere ihm zuschauen können. Sein englischsprachiger Kanal bei Youtube hat 675 000 Abonnenten, im deutschsprachigen Raum sind es noch mal 179 000. Das ist ein riesiger Werbemarkt. „Trilluxe“ macht Videos für Toshiba, er ist live bei „Amazon Twitch“ zu sehen, das zur Übertragung von Videospielen genutzt wird. Von den Werbeeinnahmen kann Lennart K. t gut leben. Sein Studium für Medienkommunikation lässt er deshalb seit dem fünften Semester ruhen. Jetzt ist er auf der Dreamhack, wo er mit seinem Team live spielt.

„Trilluxe“ ist längst nicht der einzige, der mit dem Spielehobby gutes Geld verdient. Auf der Dreamhack sind insgesamt rund 100 000 Dollar Preisgelder ausgelobt, alles von Sponsoren aus der Branche gestiftet – wie im Profisport. Das Geld wird in Turnieren und einem Zehnkampf von Kriegs- und Ballerspielen über Fußball bis zu Autorennen verteilt. In einer Arena mit riesiger Leinwand verfolgte das Publikum die großen Schaukämpfe live. Die eigentlichen Hingucker sind die sogenannten „Cosplayer“. Junge Leute, die sich kostümieren wie die Figuren in den Computerspielen. Eine Jury kürte sogar das beste Kostüm. Die Dreamhack ist ein Zuschauermagnet. Die Messe zählte rund 15 000 Besucher. Wenigstens jeder Fünfte war eine Frau.