Merken

Schüsse ärgern Anwohner

Jenseits der Neiße versucht ein polnischer Teichwirt offenbar, Kormorane zu vertreiben. Das Ministerium soll eingreifen.

Teilen
Folgen
© Wolfgang Wittchen

Von Frank-Uwe Michel

Es passiert nicht nur am Tag, es passiert auch in der Nacht. Clemens Ringe und seine Nachbarn sind jeden Moment darauf gefasst, dass es wieder losgeht mit diesem ohrenbetäubenden Geräusch, dessen Herkunft jenseits der Neiße liegt und bestimmt schon seit einem Jahr auf der deutschen Seite für Empörung sorgt. Am schlimmsten ist: Es kommt ziemlich unregelmäßig. „Mal sind es zehn Minuten Abstand, mal eine halbe Stunde. Man weiß nie, wann es das nächste Mal knallt. Nachts im Bett wartet man regelrecht darauf“, erzählt der Lodenauer, der längst weiß, wo dieses, einem Gewehrschuss ähnelnde Geräusch, seinen Ursprung hat. „Auf der anderen Seite der Neiße betreibt ein Fischwirt verschiedene Teiche. Sicherlich hat auch er mit Kormoranen zu tun und versucht die Tiere mit einer Warnschussanlage zu vertreiben.“ Die Vögel mit dem schwarzschillernden Gefieder gelten als große Fischräuber und haben sich durch ihre Beutezüge in den Gewässern der Region auch bei den hiesigen Fischern nicht unbedingt Freunde gemacht.

„Vor ein paar Tagen war ich mal drüben und habe mir die Sache angesehen“, sagt Ringe. „Der große Teich ist leer, die kleinen Teiche sind zugefroren. Ich weiß nicht, was oder wer unter diesen Bedingungen mit der Ballerei vertrieben werden soll.“ Vielleicht, vermutet der Lodenauer, seien es nicht nur Kormorane, die dem polnischen Teichwirt ein Dorn im Auge sind. „Es gibt ja auch noch Otter, Wildschweine und Wölfe, die man mit einer solchen Warnschussanlage erschrecken kann.“ Das System habe er allerdings noch nicht verstanden, zumal an und in den Fischteichen im Winter überwiegend Ruhe herrsche.

Die sehnt man sich in Lodenau längst herbei. Je nachdem wie der Ostwind durch den Ort bläst, trägt er das Knallgeräusch weit in die Siedlung hinein. „Ich finde, dass es in letzter Zeit lauter geworden ist. Wahrscheinlich haben sich die Vögel daran gewöhnt und reagieren nicht mehr bei jeder Ballerei“, überlegt Ringe. Wenigstens nachts müsse endlich Schluss sein damit, deshalb hat er das Problem jüngst der Rothenburger Bürgermeisterin auf den Tisch gepackt. Heike Böhm hat den Falls ans Umweltamt des Landkreises weitergeleitet. Allerdings macht die Behörde den lärmgeplagten Anwohnern nur wenig Hoffnung auf Besserung. „Wir als Landkreis Görlitz können auf polnischem Gebiet keine Untersuchungen vornehmen“, erläutert Julia Bjar. Man habe jedoch das Sächsische Umweltministerium eingeschaltet. Dort solle nun geprüft werden, welche Möglichkeiten bestehen, grenzüberschreitend tätig zu werden. Vergrämungen von Kormoranen habe es vor einigen Jahren auch im Landkreis Görlitz gegeben, sagt die Kreissprecherin. Allerdings sei dies auf Tageszeiten beschränkt gewesen. Momentan werde aber nichts dergleichen durchgeführt.

Nach SZ-Recherchen war es 2016 an Teichen zwischen Rietschen, Kreba und Ullersdorf zum Einsatz von Warnschussanlagen gekommen, um den Fressfeind Nr. 1 der hiesigen Fischereibetriebe zu vertreiben. Im Speziellen wurden solche Geräte nur an jenen Gewässern in Gang gebracht, in denen sich Fische in der für die Kormorane günstigen Größe tummelten. Das sind nicht die dreijährigen, zum Verkauf bestimmten Karpfen, sondern eher bis zu 600 Gramm leichte Halbwüchsige, die für die Fischjäger leicht zu erbeuten sind. Allerdings konzentrierte sich die Knallerei der deutschen Teichwirte auf ganz bestimmte Zeiten, in denen die Kormorane zu fressen pflegen. Während die Vögel tagsüber zumeist auf großen Bäumen im Uferbereich sitzen, nehmen sie morgens ab neun, mittags ab zwei und nachmittags ab vier ihre Mahlzeiten ein und suchen dazu die gut gefüllten Teiche auf. Entsprechend dieser Zeiträume wurden die Warnanlagen programmiert.

Die damals im Kreis Görlitz verwendeten Anlagen boten eine umfangreiche Einsatzpalette. Am wichtigsten: Man konnte die Häufigkeit der Schüsse entsprechend der Erfordernisse an den jeweiligen Teichen individuell einstellen – vom vereinzelten Knall einmal in der Stunde bis zu vier Knallern je Viertelstunde.

Dabei geben die in der Kormoranvergrämung eingesetzten Anlagen keine richtigen Schüsse ab. Vielmehr sind es mit Propangas betriebene Geräte. In einem Knallraum wird das Gas elektronisch gezündet und, das einem echten Schuss gleichende Geräusch in einem Rohr nach außen geleitet.