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Mein lieber Scholli

Jahrelang hat Rico Gebhardt die streitlustigen sächsischen Linken als Chef zusammengehalten. Doch kurz vor seinem Abgang präsentiert sich die Partei in der Personalfrage alles andere als geschlossen.

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© Arvid Müller

Thilo Alexe

Der Plan klingt derb, zugleich witzig und soll Lust auf mehr machen. Falls André Schollbach Vorsitzender der sächsischen Linken wird, will er das Parteiprofil nicht nur schärfen, sondern vor allem verschärfen: „Die CDU soll sich nicht vor der sogenannten Alternative für Deutschland fürchten, sondern vor uns.“

Rico Gebhardt favorisiert Antje Feiks als Nachfolgerin.
Rico Gebhardt favorisiert Antje Feiks als Nachfolgerin. © picture alliance / oliver killig

Der 39 Jahre alte Rechtsanwalt kandidiert für den Parteivorsitz. Das ist nicht nur bemerkenswert, weil er sich damit gegen den Wunsch des scheidenden Chefs Rico Gebhardt stellt. Es verdient auch deshalb Beachtung, weil Schollbach bei einem Wahlerfolg wohl auch Spitzenkandidat der Linken für die Landtagswahl 2019 werden würde – und damit, was derzeit mehr als unwahrscheinlich ist, Ministerpräsident einer rot-rot-grünen Regierung.

Noch ist Schollbach einfacher Landtagsabgeordneter, Fraktionschef im Dresdner Stadtrat und einer der Architekten eines rot-rot-grünen Bündnisses auf lokaler Ebene. Er sagt: „Die Rolle als Oppositionsführerin muss wieder kraftvoll und mit einem klaren inhaltlichen Profil ausgefüllt werden – im Landtag, aber vor allem auch außerhalb, in der sächsischen Öffentlichkeit.“ Das klingt beinahe so. als ob die sächsische Linke bislang kraftlos und inhaltsarm geführt wurde, was es wohl auch soll.

Politik ist ein hartes Geschäft, vor allem wenn es um Posten und Einfluss geht. Rico Gebhardt weiß das. Am Donnerstag sitzt er mit seiner Wunschnachfolgerin, der bisherigen Linkengeschäftsführerin Antje Feiks, vor Journalisten. Die ansonsten routinemäßig abgehaltene Pressekonferenz vor Parteitagen im Landtagsrestaurant ist diesmal gut besucht. Es geht um etwas, wenn sich am Samstag knapp 200 Delegierte in Chemnitz zur Vorstandswahl versammeln.

Gebhardt zählt auf, was ihm seine Kritiker vorwerfen. Er sei zu moderat, habe für die Schuldenbremse gestimmt und für ein rot-rot-grünes Bündnis auf Landesebene geworben. In anderen Parteien gibt es dafür Lob, in der Linken eben auch Schelte. Gebhardt ist allerdings, das schaffen nicht viele, seit acht Jahren Landes- und seit fünf Jahren Fraktionschef. Neun Jahre war er Geschäftsführer. In der Zeit erreichte die Linke ihren größten Triumph mit fast 24 Prozent der Stimmen bei einer Landtagswahl. Gebhardt bezweifelt Freundschaften in der Politik: „Diese Illusion hatte ich nie.“

Schollbachs Kandidatur, die von einer einflussreichen Riege sächsischer Bundes- und Landtagsabgeordneter sowie Kreischefs der Partei unterstützt wird, empfindet der scheidende Vorsitzende offenbar als persönlichen Affront. Nach außen wirkt Gebhardt gelassen. Doch seine Analyse ist scharf. Es gehe eigentlich um den Fraktionsvorsitz, sagt er. Sein Plan ist es, sich nach dem Rückzug von der Parteispitze vollends auf die Arbeit als Fraktionschef zu konzentrieren. Den könnte ein Schollbach-Erfolg zunichte machen. Gebhardt will in diesem Fall die Vertrauensfrage stellen. Es bedürfe dann der Klärung, wer die Fraktion führen soll. „Ganz so einfach meinen Stuhl räume ich nicht“, sagt der 54-Jährige.

Will Schollbach? Per SMS antwortet er eindeutig: „Nein“. Doch das muss nicht das letzte Wort sein. Sollten ihn seine Unterstützer drängen, als Landeschef auch die Fraktion zu führen, könnte er nachgeben, ohne sein Gesicht zu verlieren.

In jedem Fall hat Schollbach eine Karriere in der Partei hingelegt, die auch beeindruckt, weil sie wechselhaft ist. Als junger Stadtrat erkannte er sein Talent im Umgang mit Medien. Kollegen aus der damaligen Fraktion beäugten ihn neidisch. „Mein lieber Scholli“ wurde zum geflügelten Wort bei Anhängern wie Gegnern. Als sich die Rathauslinke aufspaltete, wählte der Flügel, der gegen den Verkauf der städtischen Wohnungsgesellschaft gestimmt hatte, Schollbach 2007 zum Vorsitzenden.

Einen aussichtsreichen Listenplatz für die Landtagswahl verwehrte ihm die Partei zunächst dennoch. Schollbach begann, als Anwalt zu arbeiten. 2014 schließlich zog er ins Parlament ein. Dort profilierte er sich – etwa mit Anfragen zu den Staatszuschüssen für die Tagebücher von Alt-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf. Zudem brachte er Ermittlungen gegen die damalige AfD-Chefin Frauke Petry wegen Meineids in Gang, als er sie nach einer Sitzung des Wahlprüfungsausschusses anzeigte.

Kontrahentin Antje Feiks, auch das gehört zu den Besonderheiten der Linken, betreibt keine gegensätzliche Politik. Als Geschäftsführerin arbeitet sie klug und umsichtig. Sie warnt davor, dass sich die Partei in einer Nische einrichtet und es sich „zu bequem“ macht. Feiks sagt, von Schollbach unterscheide sie allenfalls Stilfragen. Man müsse sich nicht zu allem äußern, wohl aber Antworten auf zentrale Fragen haben. „Ich glaube, da ticken wir unterschiedlich.“