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Liebons grüne Zukunft

Ein Dresdener Unternehmer hat Sachsens kleinstes Dorf gekauft – und Großes damit vor.

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Von Jana Ulbrich

Andreas Reitmann hat sich sein eigenes Dorf gekauft. Jetzt steht der 46-Jährige auf dem historischen Pflaster im Zentrum und schaut sich um: ein schöner, großer Vierseitenhof – aber ein riesiger Sanierungsbedarf. 62.000 Euro hat der Photovoltaik-Unternehmer aus Dresden für den Gödaer Ortsteil Liebon bezahlt. Das sei zwar viel Geld, sagt er, aber gemessen am künftigen Wert ein wahres Schnäppchen.

Sachsens kleinstes Dorf

Dorfbesitzer: Andreas Reitmann aus Dresden hat den Gödaer Ortsteil Liebon gekauft. Der 46-jährige Photovoltaik-Unternehmer will auf dem Vierseitenhof seine Vision von einem energieautarken Lebenshof verwirklichen. Dafür sucht er auch noch Mitstreiter.
Dorfbesitzer: Andreas Reitmann aus Dresden hat den Gödaer Ortsteil Liebon gekauft. Der 46-jährige Photovoltaik-Unternehmer will auf dem Vierseitenhof seine Vision von einem energieautarken Lebenshof verwirklichen. Dafür sucht er auch noch Mitstreiter.
Energie vom Dach: Die riesigen Flächen sollen mit Photovoltaikanlagen bestückt werden. Wärme soll aus der Erde kommen.
Energie vom Dach: Die riesigen Flächen sollen mit Photovoltaikanlagen bestückt werden. Wärme soll aus der Erde kommen.
Eigene Brauchwasserversorgung: Liebon hat einen Brunnen und eine Quelle. Die sollen den Hof künftig mitversorgen.
Eigene Brauchwasserversorgung: Liebon hat einen Brunnen und eine Quelle. Die sollen den Hof künftig mitversorgen.
Das Dorf ist zwar nur 14.000 Quadratmeter groß...
Das Dorf ist zwar nur 14.000 Quadratmeter groß...
...hat aber eine eigene Bushaltestelle und zwei schöne sorbische Kruzifixe.
...hat aber eine eigene Bushaltestelle und zwei schöne sorbische Kruzifixe.
62.000 Euro hat der neue Dorfbesitzer aus Dresden für Liebon bezahlt.
62.000 Euro hat der neue Dorfbesitzer aus Dresden für Liebon bezahlt.
Der kleine Ort liegt zwischen Bautzen und Kamenz.
Der kleine Ort liegt zwischen Bautzen und Kamenz.

Den wahren Wert seines Besitzes hat Reitmann allerdings erst nach dem Kauf in seiner ganzen Größe erkannt: Ihm gehören jetzt reichlich 14 000 Quadratmeter Land. Er hat jetzt hier seine eigene Bushaltestelle, zwei schöne sorbische Kruzifixe, einen Brunnen und eine Quelle, die ins Schwarzwasser fließt. Er hat einen Teich hinterm Haus, und er besitzt eben jenen hundert Jahre alten Vierseitenhof, der das Dörfchen Liebon im Grunde ausmacht.

Es hatte sich lange kein Käufer für das Anwesen gefunden – obwohl sich vor vier Jahren plötzlich die ganze Welt für Liebon interessierte. Mit der Bemerkung „Dorf zu verkaufen“ hatten die Vorbesitzer ihren Hof im Internetauktionshaus eBay angeboten. Der geplante Verkauf war damals gründlich schief gelaufen, aber das weltweite Medieninteresse war riesig. Andreas Reitmann schmunzelt. Er hatte von alldem gar nichts mitbekommen. Freunde hatten ihm die Geschichte viel später auf einer Party erzählt. Am nächsten Tag hat er aus Neugier mal im Internet nachgeschaut, am übernächsten ist er hingefahren.

Reitmann zeigt auf die Scheunen: „Ich hab die riesengroßen Dachflächen gesehen und wusste sofort: Hier gehören Photovoltaikanlagen drauf.“ Photovoltaikanlagen sind sein Job. Der Dresdener projektiert, verkauft und baut sie für eine Schweizer Holding. „Dafür wollte ich Liebon haben“, sagt er. Und dafür habe er den Hof auch über die Immobilienauktion in Berlin ersteigert. Dass Liebon viel mehr ist als nur lukrative Dachfläche, das, erzählt Reitmann, das habe er erst auf den zweiten Blick erkannt.

Vision auf den zweiten Blick

Und der zweite Blick, der ist der Beginn einer großen Vision. Andreas Reitmann schließt die Tür zum Wohnhaus auf, betritt einen der leeren Räume und beginnt zu schwärmen: Hier, das wird alles aufgerissen, hier kommt ein Durchbruch, hier geht es dann auf die Terrasse. Vier große, komfortable Wohnungen könnten im Haupthaus entstehen. Und weitere Wohnungen in den Scheunen mit lichtdurchfluteten Dachstühlen und durchlässigen Solarmodulen im Fachwerk. „Großartig wird das“, schwärmt Reitmann. Er kann hier zeigen, wie Häuser zu Energiequellen werden. „Das ist die Zukunft“, ist er sich sicher: „Ein Energiehof Liebon.“ Ein befreundeter Architekt hat ihm schon die Pläne skizziert. Und inzwischen hat er auch schon Interessenten, die mitmachen wollen. Alleine will und kann er so ein Projekt nicht stemmen. Geschätzte zweieinhalb bis drei Millionen Euro wird seine Vision kosten, wenn sie Wirklichkeit werden soll. „Ich weiß noch nicht, wie man das aufbringt“, sagt er ohne groß drumrumzureden. Aber er könne ja mit den Photovoltaikanlagen schon mal anfangen wie geplant.

Doch auch dafür wird der neue Investor Genehmigungen brauchen. Reitmann hat dem Bürgermeister seine Idee schon mal in groben Zügen geschildert. Er weiß, dass es ohne die Unterstützung der Gemeinde nicht gehen wird. Der Gemeinderat wird wohl erst einmal einen Bebauungsplan für Liebon aufstellen müssen. Weil der Hof im planerischen Außenbereich liegt, darf dort nicht so ohne weiteres gebaut werden. Andreas Reitmann weiß das. Er weiß auch, dass er die Gödaer erst noch von seiner Idee überzeugen muss. In Euphorie verfällt man ob großer Visionen in der Lausitz bekanntlich nicht. Zu viele vollmundig angekündigte Projekte sind hier in den letzten Jahren schon kleinlaut gescheitert. Bürgermeister Peter Beer will den neuen Grundstücksbesitzer aber mit offenen Armen empfangen. Er hat ihn zur nächsten Gemeinderatssitzung eingeladen und will ihm Gelegenheit geben, seine Pläne ausführlich vorzustellen.

Andreas Reitmann will mit seiner Lebensgefährtin auch selbst von Dresden nach Liebon ziehen. „Ich habe hier den Platz für unseren Lebensabend gefunden“, sagt er. In zwei, drei Jahren soll möglichst viel Leben auf dem Hof sein. Reitmann will den alten Brunnen und die Quelle für die Brauchwasserversorgung nutzen, die Solarmodule auf den Dächern und Wärmepumpen in der Erde sollen Liebon möglichst vollständig mit Energie versorgen. Auch eine biologische Kläranlage gehört zum nachhaltigen Umweltkonzept. Reitmann ist wieder hinaus auf den Hof getreten: „Hier drüben werde ich wohnen“, sagt er und zeigt auf die Scheune nach Süden. Zu besten Zeiten hatte Liebon mehr als 20 Einwohner. Die und vielleicht noch mehr sollen es wieder werden. Der Visionär sucht dafür noch Mitstreiter.