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Letzter Tante-Emma-Laden schließt

Über 100 Jahre hielt sich das Geschäft am Sachsenplatz in Lommatzsch. Jetzt kam das Aus. Es war ein Ende mit Ansage.

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© Claudia Hübschmann

Von Sebastian Weisz und Jürgen Müller

Lommatzsch. Im vergangenen Jahr feierte Steffen Hentschel noch das zehnjährige Bestehen seines Lebensmittelgeschäfts am Sachsenplatz in Lommatzsch. Es war der letzte Tante-Emma-Laden in der kleinen Stadt. Bekannt war das Geschäft mit den Stufen am Eingang vor allem für seine frischen Produkten von Erzeugern aus der Region: Fleisch- und Wurstwaren aus Oschatz, Hausschlachtenes aus Mergendorf bei Riesa, Milch und Joghurt vom Biohof Mahlitzsch, Tiefkühlgemüse von Elbtal Lommatzsch und vor allem Karpfen und Forellen aus Koselitz sowie Räucherfisch aus Zeithain.

Doch auch das frische und regionale Angebot half am Ende nichts. Was fehlten waren die Kunden und der Umsatz. Schon im vergangenen Jahr musste der 54-Jährige seine beiden Verkäuferinnen entlassen. Zunächst versuchte er es allein weiter. Ende Juni kam das endgültige Aus.

Neben der wirtschaftlichen Situation gibt es aber noch einen anderen Grund für die letztlich doch sehr schnelle Schließung. Hentschel fand einen festen Job, ist jetzt als Hausmeister bei einer Hilfsorganisation angestellt.

Damit endet die Historie eines Ladens, der schon beim Bau des Hauses konzipiert war. Was in den Anfangsjahren dort angeboten wurde, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Vielen älteren Lommatzschern wird jedoch die „Röber-Else“ noch bekannt sein, die viele Jahrzehnte dort einen „Tante-Emma-Laden“ betrieb. Der war auch bei den Kindern beliebt wegen der schönen großen Bonbon-Gläser. Die konnten dort Bonbons auch einzeln kaufen, und „Sahne-Malze“ war der „Renner“.

Als Else Röber in den Ruhestand ging, übernahm nach einiger Zeit die Konsumgenossenschaft den Laden und verkaufte ebenfalls Lebensmittel, bis das Geschäft erneut geschlossen wurde. Denn inzwischen war die „Wendezeit“ angebrochen.

Am 29. Juni 1993 übernahmen Manfred und Renate Hentschel den Laden und richteten in den ehrwürdigen Räumen wieder ein Lebensmittel-Geschäft ein. Am 1. Januar 2006 übernahm Sohn Steffen den Staffelstab von den Eltern und führte das Geschäft mit neuen Ideen und zusätzlichen Angeboten weiter. Seit dem 24. Juni ist nun auch das letzte Lommatzscher Lebensmittel Geschäft geschlossen. Mit den Supermärkten konnte es nicht mehr mithalten. Letzten Endes war es nicht mehr möglich, den Laden auch nur andeutungsweise rentabel zu betreiben. Die Handelsspanne zwischen Einkauf und Verkauf verringerte sich kontinuierlich und bei Weitergabe der sich erhöhenden Preise an den Endverbraucher bestand die Gefahr, dass die Kundschaft wegblieb. Bei Preis-Dumping und Billig-Angeboten, wie bei den großen Märkten üblich, kann ein traditionelles Lebensmittelgeschäft nicht mithalten.

Die große Stärke dieses Geschäftes lag auf einem Gebiet, welches den großen Märkten weitgehend verschlossen ist: Der persönliche Kontakt zu den Kunden, die Bevorzugung regionaler Produkte und das Angebot besonderer Lebensmittel, die in dieser Form in den Supermärkten nicht zu finden waren. So könnte man den ungeheuer leckeren, selbst geräucherten Käse nennen und den selbst geräucherten Fisch, welcher praktisch direkt aus dem Räucherofen über den Ladentisch ging und der angebotene Frischfisch hätte frischer nicht sein können. Für behinderte Kunden genügte ein Anruf im Geschäft, und die bestellte Ware wurde bis in die Wohnung gebracht.

Das Ende kündigte sich dennoch schon lange an. Schon vor vier Jahren sagte Steffen Hentschel der SZ, dass der Umsatz schlecht ist, die Familie nur dank des Gehaltes seiner Frau über die Runden kommt. Dennoch wollte er den Laden so lange wie möglich offen halten. Schon damals deutete er an, dass er das Geschäft nicht noch einmal übernehmen würde.

Was mit dem jetzt leeren Laden am Sachsenplatz wird, ist noch offen. Vermieten im jetzigen Zustand ist wohl nicht möglich, es müsste wohl erst grundlegend saniert werden, nicht nur die Fassade. Und selbst dann ist fraglich, ob sich jemand findet, der dort wieder ein wie auch immer geartetes Geschäft aufmachen möchte. Und so geht nicht nur das Ladensterben in Lommatzsch weiter, es verschwindet auch ein Geschäft, das noch einen Hauch Nostalgie ausstrahlte. Vieles war noch original bis hin zu den alten DDR-Waagen. Die sind heute nicht mehr zu finden, außer im Museum.