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Gefragte letzte Ruhe im Wald

Nur das Rauschen der Blätter und Vogelgezwitscher: Viele möchten ihre letzte Ruhe unter einem Baum finden. Seit vergangenem Jahr ist das auch in Sachsen möglich. Nun gibt es zwei neue Bestattungswälder.

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© dpa

Christiane Raatz

Radebeul Die Kutsche mit den zwei schwarzen Friesenpferden holpert über den Waldboden, die Jagdhornbläser setzen zum Spiel an. Die roten Holzbänke auf dem Andachtsplatz - umgeben von hohen Bäumen - füllen sich. Das Interesse an der ersten öffentlichen Führung durch den neuen Bestattungswald zwischen Radebeul und Coswig (Landkreis Meißen) ist groß, gut 20 Menschen sind gekommen. „Wir haben uns schon einen Gemeinschaftsbaum rausgesucht, eine Buche am Reitweg“, sagen Helga und Werner Erben, 61 und 63 Jahre alt.

Seit 20 Jahren sind sie mit ihren Pferden in dem Waldstück unterwegs. „Wir haben eine besondere Beziehung zu dem Wald“, sagt das Ehepaar. Sie wollen ihre letzte Ruhe daher lieber hier als auf einem kommunalen oder kirchlichen Friedhof finden. Die Kinder leben außerdem weit weg in Hamburg und in der Schweiz. Zeit, sich um ein Grab zu kümmern, bleibt da kaum. Grabpflege mit Kerzen und Blumen ist im „Naturruhe Friedewald“ nicht nötig - die übernimmt die Organisation.

Waldbesitzer Daniel Prinz von Sachsen steht an einem Pult aus Sandstein, dort, wo künftig der Trauerredner seinen Platz hat und beantwortet geduldig alle Fragen. 40 Hektar groß ist das Waldstück insgesamt. Zunächst sind drei Hektar für Bestattungen vorgesehen, die ersten 400 Bäume mit einer kleinen Plakette ausgezeichnet. Theoretisch können 2 400 Bestattungsplätze vergeben werden.

Das hängt davon ab, wofür sich die Menschen entscheiden: Ein Urnenplatz am Gemeinschaftsbaum, wo bis zu 12 Menschen bestattet werden können, kostet 450 Euro. Teurer sind Partner-, Familien- oder Freundschaftsbäume. Je nach Lage und Größe liegen die Preise für einen Baum zwischen 2800 Euro und 8800 Euro - mehrere Grabplätze inklusive. Laufende Kosten fallen nicht an, sagt Betreiber von Sachsen. 20 bis 99 Jahre beträgt die Ruhezeit der Gräber.

In diesen Tagen kommen die ersten biologisch abbaubaren Urnen an den Baumwurzeln in die Erde. Daniel von Sachsen hat lange für sein „Herzensprojekt“ gekämpft. „Ich denke es ist wichtig, eine alternative Bestattungskultur anbieten zu können.“ Bereits vor sechs Jahren wollte er die „Naturruhe“ einrichten, „aber das scheiterte am politischen Willen.“ Bis zum vergangenen Sommer war Sachsen das letzte Bundesland, in dem es noch keinen Bestattungswald gab.

Der erste Friedwald wurde im Juni 2015 in Bennewitz im Kreis Leipzig eröffnet. Knapp 400 Verstorbene wurden bisher im Planitzwald beigesetzt. Zuständig ist die FriedWald GmbH, die bundesweit 56 Standorte betreibt, Mitte Oktober kommt ein neuer hinzu. „Die Nachfrage ist ungebrochen“, so eine Sprecherin.

Seit dem 1. September sind Bestattungen auch auf dem Waldfriedhof Schönburger Land in Callenberg (Landkreis Zwickau) möglich. „Das Interesse ist riesig“, berichtet Verwalterin Anikke Günther. Zunächst 550 Eichen sind für eine Naturbestattung vorgesehen. In diesem Monat soll es die ersten 12 Beisetzungen geben. Als Konkurrenz zu den städtischen Friedhöfen sieht Anikke Günther den Bestattungswald nicht unbedingt - eher als Ergänzung.

Die evangelische Landeskirche ist dennoch skeptisch: Die 1200 Friedhöfe der Kirchgemeinden seien eine Chance, die Bestattungskultur in einem gut erreichbaren und geschützten Areal in der Nähe des Wohnortes fortzuführen. Da brauche man nicht in eine Schonung ab vom Schuss zu gehen, erklärte ein Sprecher. „Die Bestattungswälder sind gerade für Ältere oft nur schwer erreichbar, kaum mit dem Rollator zugänglich.“ Die Kirche verwies zudem darauf, dass einige Friedhöfe auch eine naturnahe Baumbestattung ermöglichen.

Und trotzdem: Die letzte Ruhe unter Bäumen zu finden und sich seinen Platz schon zu Lebzeiten auszusuchen, stößt auf Interesse. Waldbesitzer von Sachsen berichtet von Menschen, die weinen und erleichtert sind, wenn sie „ihren“ Baum gefunden haben. „Das Bedürfnis scheint groß zu sein, sich seinen Platz zu Lebzeiten auszusuchen. Und damit auch eine spätere Last von den Angehörigen zu nehmen.“ Ältere Menschen kommen zu den Führungen, aber auch Jüngere, die einen Familienbaum wollen.

Von Sachsen, der die „Naturruhe“ in Eigenregie mit der Stadt Coswig betreibt, hat einen fünfstelligen Betrag investiert, um den Bestattungswald vorzubereiten. Damit die Bäume leicht gefunden werden können, sind sie mit GPS-Koordinaten versehen. Wer möchte, kann zudem eine Holzscheibe mit dem Namen des Toten anbringen. Begraben werden kann hier jeder - unabhängig von Konfession und Wohnort.

Er selbst möchte seine letzte Ruhe später auch in seinem Bestattungswald finden, sagt von Sachsen. „Ich verbringe meinen Lebensalltag im Wald, also werde ich mir natürlich beizeiten meinen Baum aussuchen“, erklärt der Betreiber der Wettinischen Forstverwaltung. Noch aber ist keine Entscheidung gefallen. „Die Kunden haben erstmal Vorrang.“ (dpa)