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Leipzig verliert Markenschutz für „Wir sind das Volk“

Der Ruf „Wir sind das Volk!“ in Leipzig war 1989 das Startsignal für die politische Wende in der DDR. 2002 ließ die Stadt den berühmten Slogan als Marke schützen, um Missbrauch zu verhindern. Nun ist Schluss damit - wegen einer DDR-Bürgerrechtlerin.

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© dpa

Leipzig. «Wir sind das Volk!», der Leipziger Revolutionsruf von 1989, ist künftig keine geschützte Marke mehr. Eine frühere DDR-Bürgerrechtlerin habe die Löschung beantragt und durchgesetzt, weil die vor zehn Jahren eingetragene Wortmarke nie wirtschaftlich genutzt worden sei, sagte Rathaussprecher Matthias Hasberg am Mittwoch. «Die Löschung ist nicht in unserem Interesse, aber rechtlich haben wir keine Handhabe», erklärte er. Die Kommune und zwei Bürger hatten den berühmten Slogan 2002 schützen lassen, um dessen Missbrauch durch Rechtsextremisten zu verhindern.

Die Mittel des Markenschutzes seien ungeeignet für den Kampf gegen Neonazis, sagte die Antragstellerin der «Leipziger Volkszeitung». Die einst in der DDR-Oppositionsbewegung aktive Frau kämpfe seit Jahren dafür, dass niemand private Rechte an dem geschichtssträchtigen Slogan halten darf. Das erste Transparent mit dem Spruch sei früher in ihrer Gruppe angefertigt worden. Die Frau war nach der Flugblattaktion 1988 von der Stasi verhaftet und ins Frauengefängnis Hoheneck gesperrt worden. 2012 meldete sie beim Münchner Patentamt Schutz für eine Wort-Bild-Marke «Wir sind das Volk» an. Die ist bisher nicht eingetragen.

Ihren Löschungsantrag habe sie auch damit begründet, dass die Marke von den Rechteinhabern in den vergangenen fünf Jahren nicht genutzt wurde, sagte Rathaussprecher Hasberg. «Das war auch nie beabsichtigt, denn unsere Motivation war immer politisch.» Ex-Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD), Ex-Nikolaikirchenpfarrer Christian Führer und ein DDR-Bürgerrechtler wollten damals verhindern, dass der für Freiheit und Demokratie stehende Ruf Zehntausender Leipziger bei den Montagsdemonstrationen vom Herbst 1989 bei Neonazi-Aufmärschen benutzt werden kann.

Geschützt sind zwei Wort-Bild-Marken und eine Wortmarke «Wir sind das Volk WSDV» sowie der Leipziger Slogan - noch. Im April 2012 sei er noch um zehn Jahre verlängert worden, sagte Jörg-Eckhard Dördelmann vom Deutschen Patent und Markenamt in München der Nachrichtenagentur dpa. Später wurde ein Löschungsverfahren mit zweimonatiger Widerspruchsfrist eingeleitet. «Ohne Widerspruch läuft der Markenschutz im März aus.» Für die Stadt sei die Sache erledigt, sagte Hasberg. Das Patentrecht eigne sich nicht für politisch motivierte Ansinnen, da es das Recht auf freie Meinungsäußerung bei Demonstrationen nicht einschränke. Der Spruch bleibe trotzdem immer mit Leipzig verbunden. «Das kann uns keiner nehmen.» (dpa)