Merken

Lehrermangel schlimmer als bekannt

Mit einem Trick rechnet das Kultusministerium den Bedarf herunter. In den nächsten Jahren fehlen bis zu 1 300 Lehrer.

Teilen
Folgen
© dpa

Von Andrea Schawe

Dresden. An der Chemnitzer Jan-Amos-Comenius-Grundschule fällt drei Tage der Unterricht aus – weil Lehrer krank sind und so Personal fehlt. In Zukunft könnte das auch an anderen Schulen Realität werden. Denn das Kultusministerium plant zu wenige Neueinstellungen. Nach einem Positionspapier der SPD-Bildungspolitikerin Sabine Friedel, das der Sächsischen Zeitung und dem MDR vorliegt, errechnet das Ministerium auf Basis des gekürzten Ergänzungsbereichs die notwendigen Lehrerstellen für die kommenden Jahre. Damit plant es den Bedarf an Lehrern auf Basis des jetzigen Lehrermangels.

Zum Unterricht, der in den Schulen laut Stundentafel gehalten werden muss, kommt noch ein Ergänzungsbereich: zusätzliche Stunden, um vorwiegend Vertretungen im Krankheitsfall zu organisieren, damit kein Unterricht ausfällt, oder für Förderunterricht und Projekte. Diese zusätzlichen Stunden werden seit Jahren massiv gekürzt. 2016 konnte an Grundschulen nur die Hälfte abgedeckt werden, in diesem Schuljahr sind es 25 Prozent.

Für das Schuljahr 2016/17 ging das Kultusministerium an Grundschulen von einem Bedarf von 209 061 Lehrerwochenstunden aus – das sind etwa 7 466 Lehrerstellen. Für alle Unterrichtsstunden plus mögliche Vertretungen in Krankheitsfällen würden aber 7 584 Lehrer gebraucht, die 212 360 Wochenstunden absolvieren. An den Oberschulen fehlten etwa 4 000 Stunden und 157 Stellen, um den Ergänzungsbereich vollständig abzudecken. „Damit wird der Lehrerbedarf systematisch kleingerechnet“, sagt SPD-Bildungspolitikerin Sabine Friedel. „Das führt bereits heute zu Unterrichtsausfall.“

Dieser werde sich in den kommenden Jahren noch vervielfachen. Nach der langfristigen Lehrer-Bedarfsprognose sind 2018/19 insgesamt 1 750 Einstellungen geplant. Tatsächlich nötig wären aber 1 825 neue Lehrer. In zwei Jahren müsste das Kultusministerium 1 703 Lehrer einstellen. Geplant sind 1 360.

Das Kultusministerium spricht von „Luftschlössern“. „Wenn wir mit einem Ergänzungsbereich von 100 Prozent geplant hätten, wären entweder die Stellen unbesetzt geblieben oder der Seiteneinsteigeranteil wäre gestiegen“, sagt Sprecher Dirk Reelfs. Das Ministerium blicke nüchtern und realistisch auf den Lehrer-Arbeitsmarkt. Alle Lehrer werden gebraucht, um den Grundbereich abzusichern. Der Ergänzungsbereich stehe nur zur Verfügung, wenn es das Angebot von Lehrern zulässt. Die Stunden zu kürzen, sei eine sehr bittere Entscheidung gewesen, so Reelfs. Denn das führe zu Unterrichtsausfall. „Solange der Arbeitsmarkt leer gefegt ist, beißt sich die Katze in den Schwanz.“