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Legale Waffen für alle?

Die AfD sperrt sich gegen eine Verschärfung des Waffenrechts. Der Partei geht es um ein Bürgerrecht und ganz bestimmte Wähler.

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© dpa

Von Thilo Alexe

Marcus Pretzell ist sich sicher: „Wenn wir es wirklich ernst meinen mit der freiheitlichen Demokratie in Deutschland, dann brauchen wir auch ein freiheitliches Waffenrecht.“ Der AfD-Europaabgeordnete und Lebensgefährte von Parteibundes- und Landeschefin Frauke Petry hat diesen Satz, der Teil einer langen Verteidigung legaler Waffen ist, im vergangenen November auf Facebook gepostet. Dort ist er noch immer zu lesen.

Intern konnte Pretzell punkten. Keine der im Bundestag vertretenen Parteien hat einen Passus im Grundsatzprogramm, der sich mit legalen Schusswaffen beschäftigt – die AfD schon. Ein halbes Jahr nach Pretzells Post verabschiedete die rechtspopulistische Partei ihr Programm. Es enthält ein Kapitel mit dem Titel: „Waffenrecht muss nicht verschärft werden“. Die AfD, heißt es darin, widersetze sich „jeder Einschränkung von Bürgerrechten durch ein Verschärfen des Waffenrechts“.

Waffenrecht steht demnach in unmittelbarer Beziehung zu Bürgerrechten. Mehr noch: Eine „Kriminalisierung“ von Waffenbesitz schrecke Täter nicht ab, sondern mache „Opfer wehrloser“. Der Passus legt nahe, dass sich Träger legaler Waffen – neben Polizisten auch Jäger und Sportschützen, durchaus wehren sollen, wenn sie angegriffen werden.

Dass sächsische AfD-Politiker diese Positionen teilen, ist wenig überraschend. An diesem Punkt ist die Partei nicht zerstritten. Zumindest bemerkenswert erscheint es aber, dass sie auch nach den jüngsten Anschlägen vehement vor einer Verschärfung des Waffenrechts warnt. Beispiel Frauke Petry: „Völlig sinnfreie Diskussion und Maßnahme“, schrieb die AfD-Chefin, als nach dem Münchner Amoklauf Politiker der Berliner Regierungskoalition Nachbesserungen erwogen.

Für Petry sind die offenen Grenzen das Problem. Sie ermöglichten die Einfuhr illegaler Waffen. „Wer wieder darunter leidet, ist der ordentliche Bürger, der den vorgeschriebenen Weg einhält!“ Tatsächlich hat der Täter von München nach dem derzeit bekannten Ermittlungsstand die im Ausland gefertigte Waffe über das Darknet bezogen. Tatsache ist aber auch, dass das Verwenden von Schusswaffen bei Straftaten nach Rechtsverschärfungen nach dem Amoklauf von Winnenden 2009 zurückgegangen ist – von mehr als 12  000 (2010) auf 9  000 (2015), wie es die aktuelle polizeiliche Kriminalstatistik der Bundesrepublik ausweist.

Warum also sperrt sich die AfD gegen Verschärfungen? Bereits Mitte Juli hatte es die sächsische Landtagsfraktion begrüßt, dass EU-Pläne für ein härteres Waffenrecht in Teilen voraussichtlich nicht umgesetzt wurden. „Wichtig ist, dass halbautomatische Waffen nicht wie vorgesehen verboten werden“, heißt es in der Mitteilung. Auf der Brüsseler Agenda stehen die neuen Regelungen unter anderem als Reaktion auf Anschläge in Paris.

Unstrittig ist, dass Deutschland im internationalen Vergleich ein scharfes Waffenrecht hat. Wer eine Waffenbesitzkarte will, muss hohe Hürden überwinden. Dennoch dürfte es der AfD nicht nur um den Erhalt des rechtlichen Status Quo gehen. Die Rechtspopulisten haben einen weiteren Grund, um auf die oft geschmähte EU zu schimpfen. Zudem können sie sich als vermeintlich unbequeme Mahner profilieren, die deutsches Recht hochhalten. Ferner nutzt die AfD die Waffendebatte, um offene Grenzen und damit die Asylpolitik der Bundesregierung zu kritisieren – und das in gewohnt drastischer Form. Die Regierung trage die „Hauptschuld“ an den Anschlägen und Morden in Würzburg, München, Reutlingen und Ansbach, betonte Sachsens AfD-Generalsekretär Uwe Wurlitzer. Erwägungen des Vizekanzlers Sigmar Gabriel, das Waffenrecht zu verändern, seien „geisteskrank“.

Ein vierter Grund für die Haltung der AfD zu legalen Waffen könnte in einer Klientelbindung liegen. Offensichtlich vermutet die Partei Anhänger in Schützenvereinen, deren Mitgliederzahlen in Sachsen wachsen. Damit ist die Partei aber nicht allein. Sportschützen und Jäger umwirbt auch die CDU.

So teilte der sächsische Europaabgeordnete Hermann Winkler Mitte Juli mit, dass der Binnenmarktausschuss „die überzogenen Forderungen der EU-Kommission abgeändert“ habe. Auch er bezeichnete das Verbot halbautomatischer Waffen als unverhältnismäßig, verwies aber auf die geplante Reduzierung der Magazinkapazität. „Dort, wo es ganz offensichtlich keinen Zusammenhang mit Terrorismus gibt, müssen bürokratische Auswüchse verhindert werden, ohne dass wir die Kontrolle über den Besitz von Waffen aufgeben.“