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Leere Wohnungen für Flüchtlinge

In einige der 200 000 leerstehenden Wohnungen in Sachsen sollen Asylbewerber einziehen. Vermieter sollen das Belegungsrecht für eine Weile abgeben. Aber nicht alle Asylbewerber kommen infrage.

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© Symbolfoto: dpa

Dresden. In Sachsen sollen auch leerstehende Wohnungen zur Unterbringung von Asylbewerbern mit guter Bleibeperspektive genutzt werden. Das Kabinett beschloss am Dienstag, die Reaktivierung dieses Wohnraums bis Jahresende mit 4,9 Millionen Euro zu fördern. Das Geld wird für Vermieter bereitgestellt, die Landkreisen und Kreisfreien Städten Belegungsrecht für fünf Jahre einräumen, wie Innenminister Markus Ulbig (CDU) sagte.

Im Gegenzug erhalten sie eine finanzielle Zuwendung zwischen 3 000 und 5 000 Euro je nach Fläche, um die derzeit leerstehende Wohnung für die neuen Bewohner verfügbar zu machen. Die Ausstattung entspricht dem Wohnraum für Sozialhilfeempfänger, der Mietpreis soll sich an den Kosten der Unterkunft orientieren.

„Es ist ein klares Signal, dass dieser Wohnraum verfügbar gemacht wird“, sagte Ulbig. Landesweit stünden mehr als 200 000 Wohnungen leer, ein Viertel davon könne schnell reaktiviert werden. Landkreise und kreisfreie Städte „erwerben“ vom Vermieter das Recht, Asylbewerber zu bestimmen, denen dieser die Wohnung zu überlassen hat - auch in Absprache mit den Kommunen.

Familiennachzug der Flüchtlinge

Den Flüchtlingen dürften bald Familienangehörige folgen. Das befeuert Spekulationen über neue Zahlen. Belastbare Daten darüber gibt es aber nicht. Schnell werden Forderungen nach einer Begrenzung laut. Davor steht aber auch das Grundgesetz.

Berlin. In der Flüchtlingsdebatte nehmen Spekulationen über immer höhere Asylbewerberzahlen zu. Klar ist, dass sich Bund, Länder und Kommunen auf eine große Zahl an Familienangehörigen der Flüchtlinge einstellen müssen, die nachkommen. Es geht um zusätzliche Kita-, Schul-, und Hochschulplätze, aber auch um Sozialleistungen. Der CSU-Politiker Johannes Singhammer fordert bereits eine Begrenzung.

Die folgenden Texte geben Antworten auf die drängenden Fragen:

Dürfen Familienangehörige von Flüchtlingen nachkommen?

Ja. Das Recht, Ehepartner oder minderjährige Kinder aus dem Fluchtland nachkommen zu lassen, haben aber nur anerkannte Flüchtlinge. Nachgeholt werden kann die „Kernfamilie“. Bei unbegleiteten Minderjährigen geht es um die Eltern. Deutschland wäre dazu nach dem Völkerrecht nicht verpflichtet, diesen Anspruch gewährt Deutschland.

Und: Der im Grundgesetz verbriefte Schutz von Ehe und Familie gilt auch für hier lebende Ausländer. Eine Beschränkung des Zuzugs ist also kaum möglich. (dpa)

Wie genau sind die rechtlichen Vorgaben?

Geregelt ist es im Aufenthaltsgesetz. Der Antrag muss innerhalb von drei Monaten nach Anerkennung als Asylberechtigter oder als anderer Flüchtling gestellt werden. Anträge über Familiennachzug werden über deutsche Botschaften und Konsulate in den jeweiligen Ländern gestellt.

Der Nachzug aus Nicht-EU-Staaten ist an Voraussetzungen gebunden: Der in Deutschland lebende Ausländer muss im Besitz eines Aufenthaltstitels sein. Für Angehörige muss genügend Wohnraum vorhanden und der Lebensunterhalt gesichert sein. Wer nachkommt, muss in der Regel nachweisen, dass er sich einfach in deutscher Sprache verständigen kann. (dpa)

Wie viele Familienangehörige sind bisher nachgezogen?

Seit 2005 kann neben der Visa-Statistik des Auswärtigen Amtes auch das Ausländerzentralregister (AZR) als Datenquelle genutzt werden. Angeblich kommen im Schnitt drei Angehörige nach. Dies hängt aber von den Familienstrukturen in den Herkunftsregionen ab. Belastbare Zahlen gibt es nicht.

Teils ist von einer Verachtfachung die Rede, was unseriös scheint. Im ersten Halbjahr 2015 wurden etwa 30000 Visa erteilt. Dies betrifft nicht nur Flüchtlinge, sondern weltweit alle Nachzüge aus Drittstaaten. 2014 waren es gut 50 500. Insgesamt wurden 2013 laut AZR 56 046 Familiennachzüge gezählt - samt der deutschen Ehepartner. (dpa)

Stehen schon morgen Hunderttausende Familienangehörige vor der Tür?

Nein. In der Regel ist ein Visum nötig, auf das Betroffene oft noch lange warten müssen. Die Visa-Verfahren an deutschen Auslandsvertretungen ziehen sich, trotz zusätzlichen Personals und vereinfachter Vorgaben - etwa einer Globalzustimmung statt einer Bewilligung durch jede örtliche Ausländerbehörde.

Engpässe gibt es auch aufgrund von Sicherheitsfragen. Manche Antragsteller haben allenfalls einen Schuhkarton mit ein paar Unterlagen. (dpa)

Welche halbwegs verlässliche Zahlenbasis gibt es?

Nach einer Statistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurden in diesem Jahr bis Ende August in 38,7 Prozent der Verfahren Flüchtlingen Asyl oder eine andere Form von Schutz gewährt. Bliebe es bei dieser Quote und den bisher von der Regierung für dieses Jahr erwarteten 800000 Flüchtlingen, wären es also rund 310000 Personen.

Würden davon - hoch gegriffen - zwei Drittel auf den Nachzug ihrer Familien hoffen, wären dies gut 200000 Personen. (dpa)

Kann aus bisherigen Zahlen einfach hochgerechnet werden?

Nein. Man kann kein „Nachzugspotenzial“ von 600000 Menschen allein aus Syrien ermitteln, wie es der CSU-Politiker Singhammer tut. Er verweist auf 200000 Syrer, die bisher in Deutschland Zuflucht gefunden hätten und multipliziert dies mit drei.

Nicht jeder Flüchtling hat Ehepartner und Kinder. Auch kommen schon bisher ganze Familien aus Syrien. Allerdings: Minderjährige dürften ihre „Kernfamilien“ nachholen. Auch müssen die vielen bisher nicht bearbeiteten Asylanträge noch berücksichtigt werden. (dpa)

Wie seriös können solche Prognosen zum Familiennachzug sein?

Prognosen sind hier grundsätzlich schwierig. Klar scheint, dass es eine nicht unerhebliche Zahl wird. Angeblich gehen aktuell in der deutschen Botschaft in Beirut täglich 100 Anträge allein von Syrern auf Familiennachzug ein.

Die Zahl der an Syrer für den Familiennachzug erteilten Visa bewegt sich Schätzungen zufolge im „niedrigen fünfstelligen Bereich“. Für „Pro Asyl“ sind die langen Wartezeiten der Nachzugsberechtigten das Problem. Sie müssten mindestens ein Jahr auf Termine in der Botschaft warten. „Das ist der eigentliche Skandal“, heißt es bei „Pro Asyl“. (dpa)

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„Mit Beschlagnahmung hat das nichts zu tun“, betonte der Minister. Vielmehr gehe es darum, Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive frühzeitig in Wohnungen unterzubringen und besser in ihr neues Umfeld zu integrieren. (dpa)