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Lang lebe die Brieffreundschaft

Briefkontakte mit der Sowjetunion gab es viele. Aber nur wenige überstanden die Zeit, so wie die von Tatjana und Angelika.

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Von Katrin Demczenko

Zehntausende Brieffreundschaften wurden zu DDR-Zeiten zwischen Schülern der Sowjetunion und der DDR angebahnt. Die meisten hatten keinen Bestand, schon gar nicht über die Wende hinweg. Denn meistens waren ja kaum richtige Freundschaften entstanden. Und doch gibt es sie. Seit 54 Jahren hält Angelika Ashauer aus Hoyerswerda mit Tatjana Bakumova aus Dubowka nahe Wolgograd Freundschaft. Und begonnen hat alles mit einem Brief.

Tatjana Bakumova (l.), Angelika Ashauer, zwei Jahre nach den ersten Briefen.
Tatjana Bakumova (l.), Angelika Ashauer, zwei Jahre nach den ersten Briefen. © privat/Demczenko

Tatjana Bakumova suchte 1963 einen Briefpartner aus der DDR, und ihr Schreiben erreichte zusammen mit anderen Angelika Ashauers Schule. „Damals war ich 13, und den Brief habe ich wegen der guten Handschrift ausgewählt“, erinnerte sich die heutige Seniorin. Da ihr das Russischlernen Freude gemacht hat, schrieb sie in dieser Sprache von ihrem Alltag in Hoyerswerda. Aus Tatjana Bakumovas Antwortbriefen lernte Angelika Ashauer das Leben in der Sowjetunion aus erster Hand kennen. Durch Ansichtskarten sowie Bilder von sich selbst und ihren Familien konnte jede Freundin Eindrücke von dem jeweils anderen Land erhalten. Später heirateten die jungen Frauen und schickten sich Hochzeitsfotos. Bilder vom Aufwachsen ihrer Kinder folgten in den 1970er-Jahren und dazu passend steckte vorwiegend Spielzeug in den Päckchen, die sich Angelika Ashauer und Tatjana Bakumova regelmäßig zum Jahreswechsel geschickt haben. „Die Puppe mit den langen blonden Zöpfen, die meine Tochter damals bekommen hat, ,lebt‘ noch. Damit spielt jetzt meine Enkelin“, erzählt Angelika Ashauer.

Dann traf sie Natalja Noack – sie spielte in den 2000er-Jahren mit Angelika Ashauer im Sinfonischen Orchester Hoyerswerda Geige. Jetzt hatte sie jemanden gefunden, mit dem sie in der fremden Sprache sogar sprechen konnte. 2007 ging Natalja Noack nach Moskau und verband diesen Abschied mit einer Einladung. Außerdem: Wenn sie einmal da sei, könne sie doch auch nach Dubowka weiterfahren. Bei der telefonischen Absprache half Natalja Noack auch mit seelischem Beistand. „Immerhin sollte ich nach 44 Jahren zum ersten Mal die Stimme meiner Freundin hören“, erinnerte sich die Hoyerswerdaerin an diesen Moment. Im Sommer 2008 flog Angelika Ashauer schließlich nach Moskau. Und dann ging es eine Woche später per Zug 980 Kilometer nach Wolgograd. Nach 45 Jahren brieflichem Kontakt begegneten sich die Freundinnen endlich. „Wir sind uns schon im Abteil um den Hals gefallen und haben nur noch geheult“, so Angelika Ashauer. Dann folgte eine unvergessliche Woche bei Tatjana Bakumova und ihrer Familie. „Die russische Sprache hat mir persönliche Kontakte nach Russland ermöglicht, also war es richtig, sie zu lernen“, schätzt Angelika Ashauer heute ein. Nun hat sie einen großen Wunsch: Dass ihre Freundin sie einmal in Hoyerswerda besucht.