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Lehrling machte furchtbaren Fund

Ein totes Baby liegt an einem Feld an der Kirchstraße in Niederau. Die Polizei schließt ein Tötungsdelikt nicht aus. Nach der Mutter wird gesucht.

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© Claudia Hübschmann

Von Marcus Herrmann

Niederau. Am Tag danach ist es still in dem kleinen Örtchen Niederau bei Meißen. Auf der Kirchstraße ist niemand zu sehen, in den Hinterhöfen huschen ab und zu Schatten vorbei. Neben der Dorfkirche steht ein Polizeiauto. Wie sich später herausstellen wird, gehört es zu zwei Polizisten, die gerade Hausbefragungen im Ort durchführen. Wie die Polizei am Freitagmorgen mitteilt, wurde nur wenige Stunden vorher – am frühen Donnerstagnachmittag – an einem Feld neben dem Gelände der Agrargenossenschaft Niederau ein lebloses Baby entdeckt. Gefunden wurde es an einem mit Betonsteinen aufgeschütteten Gestrüpp an der Kirchstraße. Wie eine Büromitarbeiterin der Agrargenossenschaft der SZ bestätigt, habe der Lehrling des Betriebes nach seiner Mittagspause einen Zaun reparieren wollen, dabei das Baby entdeckt. Danach habe man die Polizei benachrichtigt.

Dem Lehrling gehe es soweit gut, er habe auch am Freitag gearbeitet. Ob er in irgendeiner Form psychologisch betreut werde, wisse sie nicht zu sagen. Am Freitagmittag, keine 24 Stunden nach dem furchtbaren Fund der Kindsleiche, ist der leitende Ermittler, Polizeihauptkommissar Günther Warnatsch, vor Ort.

Zwei seiner Kollegen messen das Gelände um den Tatort mittels 3D-Scannern ab. Ansonsten werden den ganzen Tag über kriminaltechnische Ermittlungen durchgeführt, sagt der Einsatzleiter. „Wir haben auch Kollegen im Einsatz, die im Wahrnehmungsbereich des Fundortes des toten Babys Hausbefragungen durchführen“, so Warnatsch weiter.

Die Polizei sucht nach der Mutter des Kindes, schließt nach eigenen Aussagen ein Totschlag-Delikt nicht aus. In Niederau trifft die SZ am Tag danach einen Anwohner der Kirchstraße 19. Der Landwirt berichtet von einem Polizeihubschrauber und mehreren Einsatzkräften, die kurz nach der Tat vor Ort gewesen seien. Er habe am frühen Donnerstagnachmittag aber Niederau verlassen, sei erst abends zurückgekehrt. Am Freitagmorgen hätte er erneut Polizisten mit mehreren Spürhunden am Fundort unweit seines Hauses gesehen. Das Dorf sei in Aufruhr. Von Vermutungen, um wen es sich bei der Mutter des Kindes handeln könnte, wisse er aber nichts. Auf Facebook schreibt die in Niederau wohnende Marie Götze: „Wir hier im Dorf sind fassungslos über diese grausame Tat. Ich hoffe, dass die Mutter noch zur Besinnung kommt und sich stellt. Leider sind wir alle ratlos. Da kennt schon jeder jeden hier und trotzdem weiß keiner Bescheid.“

Betroffen und ratlos ist auch der Niederauer Bürgermeister Steffen Sang (parteilos). „Ich erhielt am Freitagvormittag eine offizielle Information, wenige Stunden vorher existierten bereits ähnlich lautende Hinweise, an denen sich weder die Gemeinde, noch ich persönlich beteiligt haben.“ Von den Niederauer Bürgern werde die unsagbar schlimme Tat mit Entsetzen nach und nach realisiert.

„Persönlich bin ich tief betroffen von dieser Tat. Mir steht es jedoch zum derzeitigen Ermittlungsstand nicht zu, eine pauschale Verurteilung zu treffen. Ich hoffe, dass die Kindesmutter umgehend gefunden wird, um die Umstände dieser schrecklichen Tat aufzuklären“, so der Bürgermeister weiter.

Am frühen Freitagabend sagte ein Sprecher der Dresdner Polizei der SZ, dass zu dem Fall weiter ermittelt werde. Noch gebe es keine neuen Erkenntnisse zum Aufenthalt der Mutter oder zur genauen Todesursache des Kindes.

Dem Fund des toten Babys in Niederau geht ein Fall vom Mai dieses Jahres im Nachbarort Weinböhla voraus. Hier hatte eine 27-Jährige im Auto in einem Waldstück ein Baby entbunden und war bei der Geburt verblutet. Das Neugeborene konnte nach der Entdeckung durch einen Spaziergänger unverletzt geborgen werden.