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Landtag rüttelt an Noten-Hürde fürs Gymnasium

Eltern sollen mehr Einfluss auf die Bildungsempfehlung haben – so wie es im Gesetz steht.

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© dpa

Von Gunnar Saft

Es ist eine brisante Frage, und sie ist bisher unbeantwortet geblieben: Wer entscheidet letztlich, ob ein Grundschulkind nach der vierten Klasse aufs Gymnasium geht oder nicht? Maßgeblich die Eltern, wie es Landesverfassung und Schulgesetz vorgeben? Oder doch vorrangig die per Verordnung des Kultusministeriums auferlegte Leistungshürde, wonach dafür mindestens ein Zensurendurchschnitt von 2,0 in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachkunde notwendig ist?

Zumindest das Dresdner Verwaltungsgericht hat sich jetzt klar entschieden und auf Antrag der Eltern den Weg zum Gymnasium für ein Mädchen freigemacht, das in den vorgegebenen Fächern „nur“ einen Schnitt von 2,3 aufweisen konnte. Eine Entscheidung, gegen die die zuständige Bildungsagentur sofort beim Oberverwaltungsgericht Beschwerde einlegte. Der Ausgang des Rechtsstreits ist offen.

Allein der Fall hat die politische Debatte um das Verfahren der von den Schulen vergebenen Bildungsempfehlungen neu entfacht. Stimmen mehren sich, die auf gravierende rechtliche Änderungen drängen, welche den Eltern in der Konsequenz deutlich mehr Einfluss einräumen sollen als bisher. „Das Urteil ist ein weiterer Schuss vor den Bug der Staatsregierung. Schon lange sind es Gerichte und nicht die Kultusministerin, die in Sachsen Bildungspolitik machen“, meint die Landtagsabgeordnete Petra Zais von den Grünen. Sie kritisiert, dass die Bildungsempfehlung in ihrer aktuellen Form den Einzelfall jedes Schülers nur unzureichend prüft und den Eltern kaum Mitspracherechte einräumt. „Die Noten sind aber schon als alleiniger Maßstab ungeeignet, weil sie in den Grundschulen höchst uneinheitlich verteilt werden.“ Zais verweist auf Angaben des Kultusministeriums, wonach es bei dem Punkt enorme regionale Unterschiede gibt. Gefragt sei deshalb eine individuelle Laufbahnberatung für jedes Kind, bei der die Kultusbürokratie weniger Einfluss habe als die Eltern.

Koalition prüft neue Vorgaben

Unterstützung kommt von der Linksfraktion. „Das Gericht hat klar kritisiert, dass die Bildungsempfehlungen von einem durch die jeweilige Regierungsmehrheit vorgegebenen Notendurchschnitt abhängig sind“, sagt deren bildungspolitische Sprecherin Cornelia Falken. Das familiäre und soziale Umfeld der Schüler würde dagegen kaum bis gar nicht berücksichtigt. Genau wie die Mitsprache der Eltern. Falken forderte die Koalition zum zügigen Handeln auf. In der aktuellen Novelle zum Schulgesetz müssten CDU und SPD jetzt für präzise Zugangsregelungen im Sinne des Urteils des Verwaltungsgerichts sorgen. Tatsächlich zeigt sich die SPD-Fraktion gesprächsbereit. Deren Bildungsexpertin Sabine Friedel: „Das Urteil ist nachvollziehbar. Während Verfassung und Schulgesetz deutlich machen, dass die Eltern die Entscheidung treffen sollen, sieht die Praxis in den Schulen anders aus.“ Dort halte man sich zuallererst an die Vorgaben zum Notenschnitt. Nötig sei aber, dass das Kultusministerium die Zensuren offiziell nur noch als allgemeinen Richtwert einstuft und Kriterien wie dem Entwicklungspotenzial des Kindes und dessen persönlichem Umfeld mindestens die gleiche Bedeutung einräumt. Am bestens auch nicht schon in der vierten Klasse, sondern deutlich später. Friedel lehnt sich hier weit vor, denn damit teilt sie die Meinung des Landeselternrates und von Linken und Grünen, die sich alle für ein längeres gemeinsames Lernen aussprechen.

Aber auch die CDU-Fraktion, die eine Bildungsempfehlung durch Lehrer weiter als sinnvoll verteidigt, schließt Änderungen nicht mehr aus. „Das Verwaltungsgericht spricht sich nicht gegen die Bildungsempfehlung aus, sondern sieht das Parlament in der Pflicht, die Parameter dafür selbst zu setzen“, sagt der Abgeordnete Lothar Bienst. Das werde man jetzt prüfen. Dabei überraschte er mit dem Zusatz: „Unabhängig davon, wie der Berufungsprozess vor dem Oberverwaltungsgericht verläuft.“