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Landbäcker legt sich mit Lidl an

Stefan Richter aus Kubschütz kritisiert mit viel Witz die Werbung von Lidl – und löst ein deutschlandweites Echo aus.

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© Uwe Soeder

Von Miriam Schönbach, Bautzen

Auf den ersten Blick ist in der kleinen Dorfbäckerei in Kubschütz unweit von Bautzen alles wie immer. Bäckermeister Stefan Richter legt die Brote ins Regal. Der süße Duft von Zucker-, Mohn- und Streuselkuchen liegt in der Luft. Und doch ist an diesem Morgen alles anders als noch einen Tag zuvor. Innerhalb von 24 Stunden hat es der 35-Jährige deutschlandweit zu einiger Bekanntheit gebracht. Und das alles wegen eines Briefes: ein Blatt A4, 30 Zeilen.

Mit einem sarkastischen Bewerbungsschreiben nimmt der Kubschützer Bäcker Stefan Richter die Lidl-Kampagne aufs Korn.
Mit einem sarkastischen Bewerbungsschreiben nimmt der Kubschützer Bäcker Stefan Richter die Lidl-Kampagne aufs Korn.

Adressiert ist das Schreiben an die Supermarkt-Kette Lidl. Denn ausgerechnet der Discount-Riese wirbt in seiner aktuellen Kampagne mit Qualität. „Handwerksfeindlich“, nennt Richter dieses Vorgehen. „Den Kunden wird versprochen, dass gutes Brot an der Sortimentsbreite, an den Labortests und am guten Preis erkennbar sei“, macht sich der Bäcker Luft. Kleine Handwerksbetriebe könnten bei den Mini-Preisen aber nicht mithalten. Und anders als die Discounter können sie auch nicht jeden Tag das gesamte Sortiment anbieten.

Also setzt sich der Bäcker hin und verfasst nach der Arbeit ein „Bewerbungsschreiben“ an Lidl. Wortgewandt und pointiert stellt er seine „rückschrittliche Dorfbäckerei in der Oberlausitz“ der schönen neuen Discounterwelt gegenüber. Und weil die Jobanfrage ohnehin nicht ernst gemeint ist, steckt er sie nicht in die Post, sondern veröffentlicht sie bei Facebook. Ein Entschluss mit Folgen.

David gegen Goliath, Dorfbäcker gegen Discount-Riesen – das Netz liebt solche Geschichten. Und so verbreitet sich das Schreiben binnen Stunden deutschlandweit. Noch am selben Abend berichten die ersten Redaktionen über den rebellischen Bäcker. Der Fachdienst „Werben und Verkaufen“ lobt das geschickte Marketing des Handwerksmeisters. Der nutzt den Rummel, um seine Botschaft zu verbreiten: Qualität ist mehr als ein kleiner Preis und eine große Auswahl. „Handgemachte Handwerksbrote sind Identität“, sagt Richter. Das Mehl seiner Backwaren kauft er zum Beispiel in den Mühlen vor Ort. Bei Lidl gebe es hingegen in allen 3 200 Filialen dasselbe Brot. Die Teigrohlinge für die Discounter-Ladenbacköfen würden in Österreich, Belgien, Frankreich oder den Niederlanden am Fließband produziert. Tiefgekühlt sind sie Monate haltbar.

Rückenwind bekommt der Kubschützer vom Obermeister der Bautzener Bäckerinnung. „Bei der Großproduktion wissen wir nicht, mit welchen Zusatzstoffen die Brote hergestellt werden. Unsere Kunden können uns dagegen quasi über die Schulter schauen“, sagt Lutz Neumann. Mit Sorge beobachtet er seit Jahren das Sterben kleiner Bäcker – jeden Tag stirbt zwischen Ostsee und Bodensee eine Privatbäckerei, hat der Zentralverband des Bäckerhandwerks festgestellt. „Bei der Gründung unseres Landesverbands 1990 gab es in Sachsen 2 000 Innungsbetriebe. Heute ist davon nur noch ein Drittel übrig“, sagt Lutz Neumann. Große Ketten wie Aldi und Lidl verschärfen diesen Trend, weil sie immer mehr Ladenbacköfen einführen, sind die sächsischen Bäcker überzeugt.

Bei Lidl sieht man das naturgemäß anders: Es läge dem Unternehmen fern, Produkte aus traditioneller Herstellung oder deren Qualität infrage zu stellen, versichert Pressesprecherin Eva Groß. Die Botschaft der Werbekampagne sei eine andere: „Wir sagen, dass man gutes Brot unter anderem an einer gleichmäßigen Farbe, einer schönen Kruste und an einem aromatischen Duft erkennt. Wenn auch noch ein guter Preis dazukommt, sehen wir das als weiteren Qualitätsvorteil.“

Das ist „massive Augenwischerei“, ärgert sich Stefan Richter. Immerhin weiß er neben seinen Kollegen auch seine Kunden hinter sich. Nicht nur das Telefon, auch die Ladenglocke klingelt an diesem Morgen wieder und wieder. Richter hat auch außerhalb des Ortes einen guten Ruf. Rainer Klimmer kommt extra aus Bautzen. „Ich hole nie Brot vom Discounter. Da friere ich mir dieses hier lieber ein“, sagt er und bezahlt. Ronny Zieschank, Koch im Gasthaus „Rote Schänke“ im benachbarten Pielitz, nickt Stefan Richter aufmunternd zu: „Wir müssen doch zusammenhalten“, sagt er.

Stefan Richter ist noch immer ein wenig überrascht über die große Resonanz auf seinen Brief . „Aber wenn ich es so geschafft habe, einen Denkanstoß zu geben, ist doch schon viel erreicht“, sagt er. Dann verschwindet er rasch in der Backstube. Ein paar Kuchen müssen noch aus dem Ofen. Die nächsten Journalisten stehen vor der Tür. An diesem Freitag ist eben doch alles ein bisschen anders in der kleinen Dorfbäckerei von Kubschütz.