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Kultort für Kettensäger

In Blockhausen entsteht beim Huskycup Kunst aus Abfallholz. Dafür reist sogar die Nationalmannschaft im Schnellschnitzen nach Sachsen an.

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© Rafael Sampedro

Dorfchemnitz. Kurz vor Blockhausen wacht „Mutti“ über die Völker. Unverkennbar durch die Handraute steht eine geschnitzte Angela Merkel inmitten von schwärmenden Bienen. Doch das deutlich vernehmbare Summen stammt nicht aus der Schauimkerei. Vielmehr geben ein paar Höhenmeter weiter Dutzende Kettensägen das unverkennbare Geräusch von intensiver Holzbearbeitung wieder. Eingeweihte wissen: Im mittelsächsischen Wald schnitzen Kettensägenkünstler wieder um den Weltcupsieg und ein Preisgeld von rund 10 000 Euro.

Blockhausen ist keine Siedlung. Es ist ein künstlicher Kultort, für den seit April vorigen Jahres eine Tourismus-Tafel an der Autobahn A4 wirbt. Tausende Schaulustige und Fans des Kettensägenschnitzens pilgern alljährlich im späten Frühjahr zum Huskycup auf der Lichtung hoch über der Straße zwischen Mulda und Dorfchemnitz. „Wir hatten hier schon 10 000 Besucher in den drei Tagen“, sagt Andreas Martin.

Zum 14. Mal veranstaltet der Gründer von Blockhausen bis zum Montag den dreitägigen Wettbewerb. In diesem Jahr messen sich 29 Teilnehmer aus zwölf Ländern. Bereits seit vorigem Montag ist ein Großteil der Künstler am Werk. Sie schnitzen an den so genannten Hauptfiguren, die am Montag um 14 Uhr fertig sein müssen. „Die großen Wildtiere Europas bei der Liebe oder im Kampf“, lautet das diesjährige Motto. Im Vorjahr hieß das Thema „Wikinger überfallen ein Dorf“.

Von diesem Samstag an stehen auch die Schnellschnitz-Wettbewerbe (Speedcarving) auf dem Programm. Dabei misst sich die deutsche Nationalmannschaft mit einer gemischten Auswahl aus Tschechien und der Slowakei. In den beiden Jahren zuvor hatte der Gastgeber sowohl gegen Großbritannien als auch gegen die USA gewonnen. Die Stücke aus den Schnellschnitz-Wettbewerben werden dann versteigert. Sieger im Speedcarving wird, wer den höchsten Versteigerungserlös erzielt.

Begonnen hat alles 1996. Andreas Martin, der mit Vorliebe wilde Schweine geschnitzt hat und deswegen den Spitznamen „Sauensäger“ trägt, erwarb von der Treuhand Wald und lernte bei einem Kanadier in Bad Segeberg, wie man ein Blockhaus baut. Zwei Jahre später stand sein erstes Haus aus Stämmen. 2004 rief der 60-Jährige dann den Huskycup ins Leben - acht Schnitzer aus Deutschland waren bei der Premiere dabei. 2010 gab der Europameister von 2007 seinen Job als Revierförster im Forstbezirk Marienberg auf, um sich hauptberuflich um den Huskycup und Blockhausen zu kümmern.

Das Sägefestival ist eine logistische Mammutaufgabe. Aus einem geschätzten Etat von 60 000 bis 70 000 Euro bekommt jeder Teilnehmer aus Übersee den Flug erstattet. Kost und Logis für jeden Wettkämpfer und einen Assistenten werden übernommen. Über das ganze Jahr wird das Holz gesammelt: Stämme von 300 bis 400 Jahre alten Eichen im Wert von 15 000 bis 20 000 Euro. Das entspricht etwa einem Dutzend Langholz-Lkw. „Die weitesten Stücke kamen aus Eberswalde“, erzählt Martin und betont, dass das Wettkampfholz Abfallholz ist. „Es werden für uns nicht extra Eichen gefällt.“

Aufgereiht am Berghang stehen die Schnitzgärten, viele mit einem Pavillon als Unterstand. Rob King aus den USA sägt an Steinböcken, vor seiner Parzelle steht ein riesiger Holzadler. Wer 1 000 Euro hinlegt, kann ihn mitnehmen. Weiter bergauf schnitzt James Denkins an einer Skulptur, die die Vermehrung von Mufflons veranschaulicht. Je nach Feinheit der Arbeiten kommt eine andere Säge zum Einsatz. Jeder Künstler hat fünf bis sechs Geräte dabei. Fast alle benzinbetrieben. 720 Liter Sprit hat Andreas Martin dafür gebunkert.

Nach der Abreise der Schnitzer zieht von Dienstag an wieder Ruhe ein in den Wald. Die Wanderer erobern die Wege zurück, 30 000 bis 40 000 kommen nach Angaben des „Sauensägers“ jährlich durch Blockhausen. Und dann ist statt der Kettensägen auch wieder das Summen der Bienen rund um „Mutti“ zu hören. (dpa)