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Kriminelle brauchen keine Schlüssel

Transponder öffnen Autodieben Tür und Tor binnen Sekunden. Die Polizeidirektion Görlitz gibt Tipps, wie man sich schützt.

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© picture alliance / dpa

Von Frank Oehl

Kamenz. Das schlüssellose Anlassen von Kraftfahrzeugen gehört zum technischen Fortschritt, der eigentlich ein Segen sein sollte. Was gibt es auch Bequemeres, als auf das Herauskramen des Autoschlüssels zu verzichten, sich in den Sitz fallenzulassen und das Fahrzeug per Knopfdruck zu starten? Das Segensreiche ist aber auch mit einem Fluch verbunden, wie ein Blick in die detailliertere Kriminalstatistik verrät. Thomas Knaup von der Polizeidirektion Görlitz: „Autodiebstähle betreffen immer häufiger auch moderne, schlüssellos betriebene Fahrzeuge. Sollen die sogenannten Keyless-Go-Systeme eigentlich den Fahrzeugnutzern ein Plus an Komfort bieten, haben mittlerweile auch Autodiebe die digitalen Schnittstellen als Schwachstellen der Sicherheitstechnik ausgemacht.“ Das Problem ist schnell umrissen: Der als Schlüsselersatz dienenden Transponder versendet quasi permanent ein digitales Signal, welches Diebe mit technischen Mitteln auffangen und für ihre kriminellen Zwecke nutzen können.

Die Polizei hat ein realistisches Beispiel parat: Herr Anton stellt am Abend seinen erst wenige Monate alten Pkw unter dem Carport seines Grundstücks ab. Im Haus hängt er sein Schlüsselbund wie immer an die Garderobe im Flur. Als es Nacht ist und alles schläft, schleichen dunkle Gestalten um sein Auto. Sie wissen genau, was sie suchen und können schon anhand der Marke, des Baujahres und der Ausstattung des Wagen erkennen: Dieses Auto ist eine lohnenswerte Beute und wird schlüssellos betrieben. Nun machen sich die Täter auf digitalem Weg ans Werk. Sie gehen um das Haus von Familie Anton und suchen mit einem Empfänger nach dem digitalen Signal des Autoschlüssels, was dieser leider permanent versendet. Haben die Täter dieses einmal aufgefangen, imitieren sie auf technischem Weg das aufgefangene Signal und gaukeln der Dekodertechnik des Autos vor, dass es Herr Anton wäre, der vor der Wagentür stünde. Die Zentralverriegelung öffnet die Türen, per Knopfdruck lässt sich der Motor sofort starten und die Diebe fahren mit dem Fahrzeug davon. Die SZ ist dem heiklen Fallbeispiel nachgegangen.

Wie viele Autodiebstähle gehen auf die geschilderte Masche zurück?
Im Jahr 2016 wurden in Ostsachsen, also in den Landkreisen Bautzen und Görlitz insgesamt 409 Fahrzeuge gestohlen, bei 189 blieb es beim Versuch. Die Statistik für 2017 steht noch aus. Thomas Knaup: „Wie viele Diebstähle tatsächlich schlüssellos betriebene Fahrzeuge betrafen, ist aus der polizeilichen Kriminalstatistik nicht herauszulesen. Doch wir sind uns sicher, dass die mechanischen Zeiten des klassischen Schraubendrehers oder des sogenannten Polenschlüssels mehr und mehr der Vergangenheit angehören werden.“ Heutige Diebesbanden gehen immer öfter hochtechnisiert und arbeitsteilig zu Werke. Im Fokus stehen die digitalen Schnittstellen der Fahrzeuge, auch jene Stecker, die einer Werkstatt eigentlich zum Anschluss von Diagnosegeräten dienen sollten.

Was tut die Polizei, um das Eigentum der Bürger zu schützen?
Die Polizeidirektion Görlitz, aber auch die Bundespolizei in Ebersbach, Ludwigsdorf und Dresden sind nahezu rund um die Uhr in den Landkreisen Bautzen und Görlitz im Einsatz. „Uns unterstützt dabei auch immer wieder die sächsische Bereitschaftspolizei“, bestätigt Knaup. In den auftragsfreien Zeiten kontrollierten die Streifen auch etliche Fahrzeuge und Personen – immer mit dem Ziel, Gefahren abzuwehren, Straftaten zu verhindern oder beweissicher aufklären zu können. „Klar ist, dass wir nicht überall gleichzeitig sein können.“ Es komme also auch immer auf die Initiative eines jeden einzelnen an, sein Hab und Gut vor fremdem Zugriff zu sichern.

Wie kann man schlüssellos betriebene Fahrzeuge sichern?
Der erste Schritt ist, sich des Problems überhaupt bewusst zu sein. Auch, dass die werkseitig verbauten, oftmals besonders angeworbenen Sicherungssysteme für moderne Autodiebe oftmals kaum ernstzunehmende Hürden darstellen, wie es heißt. Es bedürfe unbedingt zusätzlicher Sicherungen und damit Eigeninitiative und einen finanziellen Mehraufwand, um Dieben den Zugriff auf den privaten Pkw zu erschweren. Knaup: „Grundsätzlich gilt: Alles, was Zeit kostet, mehr Aufwand bedeutet oder die Gefahr erhöht, entdeckt zu werden, kann Diebe abschrecken.“ Zu allererst brauche es „Schlüsseldisziplin“.

Was ist eigentlich unter Schlüsseldisziplin zu verstehen?

Das meint, dass man den Transponder grundsätzlich nirgendwo rumliegen lässt, sondern ihn nach Möglichkeit in ein abgeschirmtes Behältnis legt, damit das Funksignal nicht nach außen dringen und von Unberechtigten ausgelesen werden kann. Knaup: „Autos sollten nach Möglichkeit in verschlossenen Garagen abgestellt werden. Wenn das nicht möglich ist, können auch mechanische Sperrbügel oder andere Sperren am selbstverständlich immer verschlossenen Grundstückstor ein Plus an Sicherheit bedeuten. Der Einsatz einer Parkkralle oder einer Lenkradsperre könne auch zuhause nicht schaden.

Welche alternativen Methoden der Sicherung werden empfohlen?
Die Polizei rät zum Beispiel zu mechanischen, mit einem Schlüssel verriegelbaren Getriebesperren oder versteckt verbaute Möglichkeiten zu Kraftstoff- oder Zündunterbrechung. Knaup: „Bei Fahrzeugen im Wert mehreren 10 000 Euro sollte auch die Investition in zusätzliche GPS-Ortungstechnik keine wirkliche Frage mehr sein.“ Mithilfe der bestenfalls in Echtzeit vorliegenden Info ist es bereits mehrfach gelungen, gestohlene Fahrzeuge sogar in Verstecken zu orten und sicherzustellen. „Und wer an eine Videoüberwachung des Grundstücks denkt, sollte auf ein ausgereiftes technisches System zurückgreifen, das auch nachts gut erkennbare Bilder liefert.“