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Kreis Bautzen schließt Asylheim

Bereits bis Freitag müssen die Bewohner in Niedergurig ausziehen – nicht nur für sie kommt die fristlose Kündigung überraschend.

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© Uwe Soeder

Von Kerstin Fiedler

Niedergurig. Als die ersten Asylbewerber nach Niedergurig kamen, war es kalt. Sie zogen im November in das ehemalige Park-Hotel. Nun ist das schon wieder Geschichte. Bis Freitag ist keiner der bisher 115 Bewohner mehr in Niedergurig. Das Landratsamt hat den Vertrag mit dem Betreiber Pro Shelter „fristlos mit sofortiger Wirkung“ gekündigt. Zu den Gründen will sich das Landratsamt nicht öffentlich äußern. „Es sind jedenfalls mehrere Gründe. Der Betreiber hat den Vertrag nicht eingehalten“, sagt Frances Lein von der Pressestelle des Landratsamtes Bautzen. Angedeutet habe sich, dass da etwas im Busch ist, sagt rückblickend der Niederguriger Ortsvorsteher Siegfried Spank. Denn er habe in der vergangenen Zeit Familien mit mehreren Kindern beim Umzug in Wohnungen nach Bautzen geholfen. Dass es aber nun gar kein Asylbewerberheim mehr in Niedergurig geben soll, das haben ihn am Dienstagabend Kinder aus der Unterkunft mitgeteilt. Sie seien sehr traurig gewesen, denn mittlerweile hatten sie sich gut eingelebt. Spank hat vermittelt und geholfen, wo er konnte. Er hat bei den Hausaufgaben Nachhilfe gegeben oder erst am vergangenen Sonntag auf der Schlossinsel zwölf Kinder und Jugendliche zur „Schule mit Clowns“ begleitet.

Auch der Kontakt zur Grundschule nach Baruth war sehr gut, sagt Spank. „Mit der Lehrerin habe ich abgesprochen, wie ich bei den Aufgaben helfen kann“, sagt Siegfried Spank. Grundschulleiter Michael Biskop hat auch erst am Dienstag davon erfahren, dass das Heim schließen soll. An der Grundschule Baruth gibt es seit Februar eine sogenannte Daz-Klasse. Daz steht für Deutsch als Zweitsprache. In diesen Klassen bekommen Kinder von Asylbewerbern Deutschunterricht. Im neuen Schuljahr sollten zwei weitere Kinder eingeschult werden. Ob das so wird, ist noch nicht klar. In Baruth lernten bis zum Ende des Schuljahres neun Kinder in der Daz-Klasse, drei weitere konnten bereits in die normalen Klassen integriert werden, weil sie recht gut Deutsch konnten. „Was jetzt wird, wissen wir noch nicht. Wir haben ja auch extra eine neue Kollegin für die Daz-Klasse bekommen“, sagt Michael Biskop. Doch die Zeit drängt, denn am Montag beginnt das neue Schuljahr.

Schule möglichst nicht wechseln

Wie es mit den Kindern nun weitergeht, konnte auch die Pressesprecherin der Regionalstelle Bautzen der Bildungsagentur am Mittwoch nicht sagen. „Wir arbeiten dran“, so Angela Ruscher. Erst müsse man die genaue Anzahl der Schulkinder kennen und wissen, wo sie leben. Falls die Daz-Klassen in Bautzen besetzt sind, müsse man gemeinsam mit dem Landkreis klären, wie die Schülerbeförderung organisiert wird, sagt Angela Ruscher. Das klingt im Landratsamt allerdings entspannter. „Bei schulpflichtigen Kindern wurde darauf geachtet, dass die Entfernung zur bisherigen Schule so gering wie möglich ist und sie die Schule nicht wechseln müssen. Kita-Kinder müssten dann entsprechend dem neuen Wohnort in den Einrichtungen vor Ort von der Familie angemeldet werden“, so die Sprecherin des Landratsamtes.

Für alle 115 Flüchtlinge wurden bereits neue Unterkünfte organisiert. Der Großteil der Menschen wird in Heimen in Bautzen unterkommen. Ein anderer Teil wird in Wehrsdorf und Neukirch wohnen, und fünf Familien ziehen in Wohnungen in Bernsdorf, informiert das Landratsamt.

Bewohner hatten sich gut eingelebt

Die Betreiberfirma Pro Shelter hat ihren Sitz in Berlin. Geschäftsführerin Kerstin Zeuge-Hiçürkmez ließ über ihr Sekretariat ausrichten, dass sie zu diesem Fall keine Auskünfte gebe. Im Ort wird vermutet, dass das Unternehmen die Brandschutzauflagen nicht eingehalten habe. Auch von offenen Rechnungen ist die Rede. Eine Bestätigung für diese Gerüchte gibt es aber nicht. Auch Heimleiter Reiner Deutschmann möchte sich nicht äußern. Nur so viel: Er bedauere die Schließung, denn er habe in diese Arbeit viel Herzblut gesteckt. Auch zwei Sozialarbeiter haben in Niedergurig gearbeitet.

Für den Malschwitzer Bürgermeister Matthias Seidel (CDU) kam die Nachricht von der Schließung der Unterkunft genauso überraschend wie für die meisten anderen. „Doch offenbar gab es mit der Betreiberfirma Unstimmigkeiten“, vermutet er. Da sei es nur verständlich und konsequent, dass das Landratsamt handelt, um Schaden abzuwenden. „Es ist nur schade für die Asylbewerber, die sich gerade gut eingelebt hatten“, sagt Seidel. Dass diese Entscheidung wieder einmal sehr kurzfristig die Gemeinde erreicht, kritisiert der Bürgermeister. Schließlich versprachen die Vertreter des Landratsamtes im Oktober 2015 bei einer Einwohnerversammlung in Niedergurig, die Arbeit vor Ort transparent für die Bürger zu gestalten.