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Krawall in der Nacht, Willkommen am Tag

Am Donnerstagabend trafen die ersten Flüchtlinge im neuen Erstaufnahme-Lager Bischofswerda ein - begleitet von Protesten und Pöbeleien. Doch es gibt auch viel Hilfsbereitschaft.

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© Rico Loeb

Bischofswerda. Die Lage rund um das neue Erstaufnahmelager in Bischofswerda bleibt angespannt. In der Nacht zum Freitag waren auf dem Gelände der ehemaligen Herrenmode die ersten Flüchtlinge eingetroffen. Eine Gruppe von 50 bis 70 Personen versuchte am Donnerstagabend, ihre Ankunft zu verhindern und blockierte zeitweise die Zufahrt. Die Störer wurden von der Polizei abgedrängt. Für Freitagabend hat Oberbürgermeister Holm Große nun zu einer Bürgerversammlung ins Rathaus eingeladen. Vertreter des Freistaates, der Polizei und des DRK sollen die Fragen der Bürger beantworten. Aus Sicherheitsgründen sind zu der Veranstaltung maximal 100 Besucher zugelassen. Zudem werden nur Bürger aus Bischofswerda eingelassen, kündigt Große an.

Polizeieinsatz an der Notunterkunft Bischofswerda

Zugleich formiert sich in der Stadt ein Bündnis, das neu ankommende Flüchtlinge willkommen heißt. Mehrere Vereine und Initiativen engagieren sich bereits für Flüchtlinge in Bischofswerda - in einem Asylbewerberheim, das bereits im Dezember 2012 eingerichtet wurde. „Wir sind stolz auf den ruhigen, besonnenen und von großer Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft geprägten Umgang Bischofswerdas und seiner Bürger mit den Flüchtlingen im Asylbewerberheim Belmsdorfer Straße“, heißt es in einer Erklärung des SPD-Ortsvereins. „Umso mehr sind wir schockiert, dass Rechtsextreme nun auch in Bischofswerda versuchen, zu zündeln und ihre menschenverachtende Hetze in unsere Stadt zu tragen“, schreibt Uta Strewe, die Vorsitzende des Ortsvereins.

Auch an der Erstaufnahmeeinrichtung meldeten sich am Freitag zahlreiche Bürger und fragten, wie sie helfen können. Unmittelbare Nachbarn des neuen Heimes mahnen zur Gelassenheit. Alexander Holthaus, geschäftsführender Gesellschafter der Firma Temedia sagt: „Als Hersteller von Verbandmaterial sind wir schon aus beruflichen und ethischen Gründen für die Hilfe für Menschen in Not. Unsere Erfahrungen mit dem bereits bestehenden Asylbewerberheim sind positiv, sodass wir gegen eine Erstaufnahmeeinrichtung als Nachbarn keine Bedenken haben.“

Scharfe Kritik am Vorgehen der Landesdirektion übt Stadtrat Frank Kern (SPD), Mitglied des Ältestenrates im Parlament. „Für mich ist es absolut unverständlich, wie eine Landesbehörde ohne Mitwirkung des Oberbürgermeisters und des Stadtrates agieren kann“, sagte er.

Die Notunterkunft für 400 Asylbewerber war am Donnerstagabend kurzfristig in einer leer stehenden Halle des ehemaligen VEB Herrenmode eingerichtet worden. Die ersten Busse mit Flüchtlingen trafen in der Nacht zu Freitag ein. Zuvor versammelten sich nach Angaben der Polizei etwa 50 bis 70 Personen vor dem Gelände, um die Ankunft der Asylbewerber zu stören. Die Polizei war mit 40 Beamten vor Ort. Diese drängten die Störer ab. Wie ein Polizeisprecher sagte, war die Stimmung seht aggressiv. Ein großer Teil der Asylgegner sei betrunken gewesen. Als gegen Mitternacht der erste Bus mit Asylbewerbern eintraf, kam es zu massiven Pöbeleien. Die Polizei sprach zahlreiche Platzverweise aus und ermittelt in mehreren Fällen wegen Volksverhetzung und Beleidigung von Polizisten.

Bis zum Freitagnachmittag kamen insgesamt vier Busse mit Flüchtlingen in Bischofswerda an. Die Voraussetzungen für ihre Unterbringungen waren am Donnerstag in aller Eile geschaffen worden. So wurden unter anderem die medizinische Betreuung, der Wachdienst und die Verpflegung organisiert. Die Betreuung vor Ort übernimmt das DRK. Zudem trafen Freitagmittag zur Unterstützung Kräfte der Bundeswehr auf dem Areal ein.

Die Landesdirektion Sachsen begründet die Einrichtung der Notunterkunft in Bischofswerda mit der angespannten Situation in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Freistaates. So würden für das Wochenende mehrere Hundert neue Asylbewerber in Sachsen erwartet, für die Plätze an anderer Stelle fehlten. Von Januar bis Juli 2015 hat der Freistaat Sachsen mehr als 14 500 Asylbewerber neu aufgenommen. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 4 900. In den letzten Wochen hat sich der Zustrom noch einmal deutlich erhöht. Allein im Juli kamen mehr als 4 000 Menschen. (szo)