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Kommentar: Stehplatz-Sperre ist keine Lösung

Die Szenen in den Stadien, in denen es Relegationsspiele gab, waren gruselig. Jetzt bringen die Innenminister eine Stehplatz-Sperre ins Spiel. Warum die nichts bringt:

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© Robert Michael

Die Szenen in den Stadien, in denen es um Auf- und Abstieg ging, waren gruselig. In München bewarfen Anhänger des Traditionsklubs 1860 den gegnerischen Torwart mit Stangen und Sitzschalen. In Braunschweig gab es einen Platzsturm. Und selbst bei den beschaulichen Stuttgarter Kickers musste das Finale im Landespokal unterbrochen werden, weil Fans aus Unzufriedenheit mit dem Team randalierten.

Kann die dauerhafte Schließung von Stehplätzen, die der niedersächsische Innenminister ins Gespräch bringt, die Gewalt im Fußball eindämmen? Nein. Wer sich nur einen Teil der unvollständigen Aufzählung anschaut, findet vielfältige Ursachen für Gewalt. Mit dem Ort Stadion haben sie wenig zu tun. In München dürfte es die gereizte Stimmung sowie die schlechte Kommunikation im chaotisch geführten Verein sein. Braunschweig hat seit Jahren ein Neonazi-Problem in der Fanszene.

Wer einwendet, die Dynamo-Fans, die in Karlsruhe einen bizarren Marsch im Armee-Look durchzogen, sind in Dresden eher Stehplatzgänger als Vip-Logenbesucher, hat vermutlich nicht ganz unrecht. Sicher sein kann er sich aber nicht. Die Formel, Gewaltbekämpfung sei eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, ist so floskelhaft wie treffend. Anders gesagt: Fanszenen sind vielschichtig. Auf der Stehtribüne können im Optimalfall Ultras, Hooligans und Fans, die sich gegen Ressentiments engagieren, nebeneinander feiern. Schließt der Block, sind auch die Friedlichen draußen.

Sinnvoll sein kann eine vereinzelte Sperrung, wie in Dortmund, wo nach Attacken auf Leipziger Fans die Südtribüne dicht blieb. Auf Dauer ist das aber keine Lösung. Eher wirkt das Bündeln von Maßnahmen – Fanprojekte, Prävention, Dialog zwischen Verein und Fans, Aufeinander zugehen, sich von Neonazis distanzieren. Der andere Teil der Wahrheit ist: Selbst wenn das klappt, ist Gewalt nicht ausgeschlossen. Das Engagement für friedvollen Fußball muss dauerhaft sein.

Übrigens: In Magdeburg hat die Stadt gerade den Ausbau der Stehplätze beschlossen. Für die Fans ist das fein. Gefährlicher wird Fußball dadurch nicht.