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Kommen & Gehen

Sachsen war lange ein Brennpunkt in der Flüchtlingskrise. Nirgendwo in Deutschland wurde auf den Straßen so Stimmung gegen Asylsuchende gemacht. Deshalb „flüchteten“ viele von ihnen wieder aus Sachsen.

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© Archiv/Christian Juppe

Tobias Wolf

Dresden. Welche Regeln gelten, was ist im Zusammenleben zu beachten? Das soll Asylbewerbern bereits in den Erstaufnahme-Einrichtungen vermittelt werden. Drei Millionen Euro stellt die Staatsregierung für erste Orientierungskurse und Hilfen für Flüchtlinge pro Jahr bereit, teilte Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) am Dienstag bei einer Pressekonferenz mit. 27 Millionen Euro stehen bisher jährlich etwa für Sprachkurse, Integrationsprojekte und Gemeindedolmetscher zur Verfügung.

Dafür brauche es jedoch ein besseres Klima in Sachsen, damit Flüchtlinge nicht mehr in den Westen abwandern. „Die Demonstrationen sind zwar zurückgegangen“, sagte Köpping mit Blick auf ausländerfeindliche Kundgebungen. „Aber manche gehen, weil sie das Gefühl haben, hier nicht bleiben zu können.“ Das gelte selbst für Asylbewerber, die eine Ausbildung machen oder eine Lehrstelle in Aussicht hätten. Daran müsse in Sachsen dringend gearbeitet werden.

Köpping hält auch die Ausweisung von Flüchtlingen für falsch, die durch Ausbildung oder Job integriert sind. „Bei mir beschweren sich Bürgermeister, dass wir die Falschen abschieben“, so die Ministerin. Die Integration koste Geld. Es sei problematisch, wenn die Menschen dann dem Freistaat den Rücken kehren. Vielfach hätten auch qualifizierte Migranten Probleme, die nicht als Asylbewerber gekommen sind und in Sachsen studiert haben. Wegen ihres ausländischen Namens bekämen sie oft keinen Job, während sie etwa in Bayern mit Kusshand genommen würden, so Köpping.

Die Staatsregierung will nun im Herbst über eine Landkreisauflage für anerkannte Asylbewerber und deren Wohnsitz entscheiden. Damit sollen Wanderungsbewegungen besser gesteuert werden.

Der Grund: Asylbewerber würden sich bevorzugt in Ballungszentren ansiedeln wollen, in Sachsen vor allem in Leipzig, sagte Köpping. Das habe Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt sowie auf Schul- und Kitaplätze, während abseits der Großstädte freie Kapazitäten bestünden. „Wir haben flächendeckend im ländlichen Raum Integrationskurse bereitgestellt, die wir auslasten müssen.“ Außerdem gebe es Arbeitsgelegenheiten, etwa als Erntehelfer bei Obstbauern. Die Ministerin befürwortet deshalb eine Mindestverweildauer von einem Jahr, in der Diskussion sind bis zu drei Jahre. In welcher Gemeinde die Flüchtlinge untergebracht werden, sollen die Landkreise entscheiden. Bisher gilt bundesweit nur eine Wohnsitzauflage für das jeweilige Bundesland.

Erstaufnahme in Dresden in Gefahr

Ein weiteres Problem: Wie die Erstaufnahme ab Juli in Dresden funktionieren soll, ist derzeit unklar. Am Freitag enden die Verträge mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK), das seit Sommer 2015 die Unterkünfte in der Bremer und der Hamburger Straße betreut. Derzeit leben dort 348 Flüchtlinge, darunter etwa 150 Frauen und Kinder, teilt DRK-Sprecher Kai Kranich mit. 120 von ihnen sollen bis zum Wochenende auf Städte und Gemeinden verteilt werden. Die Landesdirektion hat den Betrieb zum 1. Juli neu ausgeschrieben. Bislang sei noch keine Entscheidung getroffen, sagt Sprecher Holm Felber. Die Angebote liegen seit Ende März vor. Das DRK habe sich an der Ausschreibung beteiligt, aber noch keine Antwort erhalten, so Kranich.

97 Angestellte und etwa 50 Ehrenamtliche betreuen die Flüchtlinge. Die meisten haben nur Zeitverträge bis Ende Juni. Viele sind nun sauer, weil unklar ist, wie es weitergeht. „Wir haben nicht mal eine Zwischeninformation bekommen“, empört sich ein Mitarbeiter. Viele hätten sich deshalb schon bei der Arbeitsagentur gemeldet oder neue Jobs gesucht. Nach SZ-Informationen wird derzeit die Räumung der Camps vorbereitet.

Die bisherige Integrationsarbeit steht aus Sicht der Mitarbeiter auf dem Spiel. Psychologen, die in den Einrichtungen eine Krisensprechstunde anbieten, wollen deshalb am Mittwoch einen offenen Brief an Innenminister Markus Ulbig (CDU) schicken. Aus dem Innenministerium heißt es, dass bis Freitag eine Entscheidung fallen soll. Andernfalls müssen die Flüchtlinge wohl nach Chemnitz oder Leipzig umziehen. Vor allem jene, die wegen mangelnder Bleibeperspektive gar nicht erst auf die Kommunen verteilt werden sollen.