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Königstein in französischer Hand

Einmalige Filme zeigen, wie im Zweiten Weltkrieg auf der Festung französische Generäle gefangen gehalten wurden.

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© Fotosammlung Festung Königstein gGmbH

Von Peter Ufer

Auf der Festung Königstein weht die Trikolore. Kurz nach Kriegsende, im Mai 1945, ist der Sandsteinfelsen in französischer Hand. Seit Juli 1939 befindet sich hier ein Kriegsgefangenenlager, zuerst für Polen, im Mai 1940 kamen französische Generäle hinzu, die bei Le Catelet in Kriegsgefangenschaft geraten waren. Königstein wird Generalslager. Bis 1945 kamen Briten, Holländer und Amerikaner hinzu. Am Ende des Krieges übernehmen für wenige Tage die Franzosen das Kommando, bis sie am 11. Mai 1945 von amerikanischen Soldaten abgeholt werden.

Den Beweis liefert ein Film, der jetzt auf der DVD „Sächsische Filmschätze – Pirna und die Sächsische Schweiz“ zu sehen ist. Der Dresdner Filmemacher Ernst Hirsch fand den Streifen vor ein paar Jahren in seinem Archiv. Das Dokument zeigt in bewegten Bildern das Leben der Franzosen auf der Burg. Der Verwalter der Wehrmacht, Walter Lengner, filmte mit seiner Leica-Kamera. Der 16-Millimeter-Film lässt nacherleben, wie die Generäle ihren Alltag gestalteten. Zu sehen ist ein Fliegerbeobachtungsturm auf der Festung, die Standort der Luftwaffe war. Damals standen noch die katholische Kapelle und ein Denkmal für Friedrich August III.

In dem Streifen sind Tagesausflüge zu sehen, die den Generälen einmal pro Monat erlaubt waren. Sie fahren mit den Skiern übers Land, sie besuchen Dresden, sitzen in einer Straßenbahn zur Stadtrundfahrt. Der Verwalter und Zahlmeister Lengner führt zudem ein Tagebuch. Er beschreibt, wie er den Generälen ihr Kriegsgefangenengeld auszahlt, dass sie wöchentlich zwei Briefe und eine Karte schreiben dürfen, dass sie Pakete erhalten und ins Kino nach Königstein gehen.

Dieser Filmschatz gehört zu jenen über 40 Streifen, die das Leben in Pirna und der Sächsischen Schweiz dokumentieren. Gemeinsam mit dem Pirnaer Filmclub und Amateurfilmern entstand diese DVD. Ernst Hirsch lieferte neben dem Königsteinfilm noch weitere Archivaufnahmen. Dazu gehört beispielsweise ein Streifen aus dem Liebethaler Grund. In dieses Tal habe es Richard Wagner während seines Arbeitsurlaubes 1846 in Graupa immer wieder gezogen. In dem Film taucht unvermittelt ein mystisches Monument auf. Ein wuchtiger, wie aus der dahinterliegenden Felswand herausgerückter Sandsteinsockel, auf dem sich eine Bronzefigur erhebt: Wagner als Gralsritter, zu seinen Füßen fünf allegorische Figuren. Das Ganze ist mehr als zwölf Meter hoch: das größte Wagner-Denkmal der Welt. Zum 50. Todestag des Komponisten im Jahre 1933 wird die Einweihung des Denkmals propagandistisch zelebriert und auf Zelluloid gebannt.

Mit diesen Filmen entstand eine über 50-jährige Zeitreise durch die Geschichte von Pirna und Umgebung. Sie reicht von den 1920er-Jahren bis in die 1960er-Jahre, in denen volkseigene Betriebe ihren Aufschwung erleben, Geschäfte mit vollen Regalen gefilmt werden und der Bau des Neubauviertels auf dem Sonnenstein als Errungenschaft gefeiert wird.