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Prozess gegen Pfarrer Lothar König geplatzt

Völlig überraschend ist der Dresdner Prozess gegen den Jugendpfarrer geplatzt. Sogar die Staatsanwaltschaft stimmte zu, das Verfahren noch einmal völlig von vorne aufzurollen - wenn es dazu überhaupt kommen sollte. Der Vorwurf der Video-Manipulation steht im Raum.

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Dresden/Jena. Nach sieben Verhandlungstagen hat der Prozess gegen Jenas Stadtjugendpfarrer Lothar König vor dem Amtsgericht Dresden eine spektakuläre Wende genommen. „Die Hauptverhandlung wird ausgesetzt“, entschied der Vorsitzende Richter Ullrich Stein am Dienstag, nachdem Königs Anwälte neues Videobeweismaterial vorgelegt hatten. Die Aufnahmen sind Teile ungeschnittener Polizeivideos von einer Demonstrationen gegen einen Neonazi-Aufmarsch. Sie waren Ende Juni aufgetaucht. Ihr Inhalt widerspricht dem jener von Polizisten bearbeiteten Videos, auf denen die Staatsanwaltschaft ihre Vorwürfe aufbaut - teils in eklatanter Weise.

König selbst zeigte sich erleichtert über die Entscheidung des Gerichts.
König selbst zeigte sich erleichtert über die Entscheidung des Gerichts. © dpa
König mit seiner Anwältin Lea Voigt.
König mit seiner Anwältin Lea Voigt. © dpa

Mit der Aussetzung des Prozesses werde das Verfahren nun noch einmal komplett neu aufgerollt, erklärte eine Sprecherin des Gerichts. König zeigte sich über die Entscheidung erleichtert.

Die Staatsanwaltschaft Dresden wirft dem 59-jährigen Theologen vor, während der Demonstration gegen einen Neonazi-Aufmarsch in der Stadt am 19. Februar 2011 zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen zu haben. Der Angeklagte bestreitet das. Vielmehr habe er deeskalierend auf die Demonstranten eingewirkt. Bei Ausschreitungen während der Demonstrationen war es zu teilweise heftigen Zusammenstößen zwischen der Polizei sowie Rechts- und Linksextremen gekommen.

Anwalt: Videomanipulation lasse sich beweisen

Königs Anwalt Johannes Eisenberg hatte am Dienstag vor Gericht erklärt, das Videomaterial, auf das sich die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage stützt, sei manipulativ geschnitten worden. Den Polizisten, die es erstellt hatten, warf er vor, eine „Fälscherwerkstatt“ betrieben zu haben. Dieser in der Vergangenheit im Kern schon mehrfach laut gewordene Vorwurf lasse sich nun ganz konkret anhand des Rohmaterials beweisen. Nachdem vor Gericht eine geschnittene Szene dem ungeschnittenen Rohmaterial gegenübergestellt worden war, stimmte auch die Staatsanwältin dem Antrag der Verteidigung auf Aussetzung der Hauptverhandlung zu.

Insgesamt sind nach übereinstimmenden Angaben von Verteidigung, Gericht und Staatsanwaltschaft nun etwa 200 Stunden Rohvideomaterial vom vermeintlichen Tattag zu sichten und auszuwerten. Da diese Aufnahmen mehrmals angeschaut werden müssten, bedeute das einen Arbeitsaufwand von 400 bis 600 Arbeitsstunden, sagte Stein. Deswegen sei mit einer Unterbrechung der Verhandlung von vier bis sechs Monaten zu rechnen.

Ob der Prozess nach Ablauf dieser Zeit aber überhaupt fortgesetzt wird, ist derzeit völlig offen - obwohl König mit der Entscheidung vom Dienstag auch nicht freigesprochen ist. Es gebe nach dem Aussetzungsbeschluss nun mehrere juristische Möglichkeiten, erklärte die Gerichtssprecherin. Eine davon sei, dass das Gericht das Verfahren nach Sichtung der kompletten Bild- und Tonaufnahmen einstelle. Eine andere, dass die Beweisaufnahme noch einmal völlig von vorne begonnen werde. Königs zweite Anwältin, Lea Voigt, kündigte an, die Verteidigung werde die Einstellung des Verfahrens beantragen.

König: Kein Tag zum Triumphieren

König selbst zeigte sich erleichtert. Trotzdem sei dies kein Tag zum Triumphieren, sagte er. Nicht alle seien so gut aufgestellt wie er und seine Unterstützer. „Was ist mit denen, die auf Demonstrationen waren und keine Videogruppe dabei hatten“, gab er zu bedenken. Er sei sich sicher, dass Menschen im Gefängnis säßen, weil Polizisten Aussagen gegen sie abgesprochen hätten. „Wir sollten hier nicht in der Sonne stehen und uns feiern lassen. Wir haben noch viel zu tun.“

Königs Tochter Katharina sagte der dpa: „Die Aussetzung ist definitiv ein sehr großer Punktsieg.“ Die Landtags-Abgeordnete der Linken im Thüringer Landtag meinte: „Die Hoffnung ist auf unserer Seite, dass in den nächsten Monaten eine wirkliche Sichtung des Materials vorgenommen wird, die Anklageschrift danach zurückgezogen und das Verfahren eingestellt wird.“ Nach Meinung der Soligruppe des Stadtjugendpfarramtes war die Aussetzung längst überfällig.

Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) betonte, er habe von Anfang an den Eindruck gehabt, dass es um sehr politische Inhalte gehe, nicht nur um ein juristisches Verfahren. Er habe im Prozess nichts wirklich Substanzielles wahrgenommen, im Gegenteil, die Argumente der Staatsanwaltschaft seien eher entschärft worden. Aus seiner Sicht wäre es sicher das Klügste, wenn die Dresdner Staatsanwaltschaft den Prozess völlig aufgeben würde. (dpa)