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Koalitionskrach um Abschiebecamps

Lager für Flüchtlinge, die keine Aussicht auf Asyl haben, sind umstritten. Der Freistaat will nun in einem Projekt testen, wie das funktionieren kann. CDU-Innenminister Ulbig verteidigt das Vorhaben.

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© dpa

Thilo Alexe

Der Umgang mit Flüchtlingen führt zu handfesten Meinungs-verschiedenheiten im sächsischen Regierungsbündnis. CDU-Innenminister Markus Ulbig verteidigte das Vorhaben, Asylbewerber mit geringen Anerkennungschancen möglichst an einem Ort unterzubringen. Von dort könnten sie rasch in ihre Heimatländer zurückgebracht werden. Koalitionspartner SPD lehnt das jedoch ab. Unmut kam auch aus den Reihen der CDU.

Ulbig nannte nach der gestrigen Sondersitzung des Landtagsinnenausschusses Details zu dem Pilotprojekt, das vor wenigen Tagen Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) in einem Interview in Grundzügen beschrieben hatte. Der Innenminister betonte, es gehe nicht darum, ein Lager für eine bestimmte Personengruppe zu schaffen. Rund 200 Flüchtlinge aus dem Westbalkan – Menschen aus dieser Region werden in Deutschland kaum als Asylbewerber anerkannt – sollen in einer Einrichtung des Landes unterbracht werden. Dort könnten Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge rasch Entscheidungen treffen. Aus Ulbigs Sicht ist zudem ein Vorteil des Projekts, dass die Asylbewerber nicht auf die Kommunen verteilt werden. Der Minister betonte, die Kapazität für die Westbalkan-Flüchtlinge soll innerhalb einer Einrichtung entstehen, in der auch Menschen aus anderen Nationen untergebracht sind. Einen Ort nannte Ulbig nicht.

Eine Möglichkeit sei zudem, Flüchtlinge mit sehr guten Bleibechancen etwa aus Syrien zusammen mit den Osteuropäern unterzubringen. Im Kern gehe es um schnelle Entscheidungen vor Ort. Dadurch würden auch Plätze in der Einrichtung frei.

Überraschend deutlich lehnte die SPD das Pilotprojekt ab. Der innenpolitische Fraktionssprecher Albrecht Pallas sieht die Gefahr, dass Menschen interniert werden, und zog einen Vergleich zum Nationalsozialismus. „So etwas hatten wir schon mal“, sagte er nach der nichtöffentlichen Sitzung. „Das möchte ich in Deutschland nicht mehr haben.“

Gleichwohl unterstütze Pallas Ulbig dabei, Druck auf den Bund für mehr Bearbeitungspersonal zu machen. Ein Großteil der Anträge von Menschen, die gute beziehungsweise schlechte Anerkennungschancen hätten, könne binnen zwei Wochen entschieden werden. Dafür benötige es aber keinen separaten Ort.

Allerdings gibt es in der SPD zu dem Pilotprojekt auch abweichende Meinungen. Der Ausschussvorsitzende Mario Pecher, der wie Pallas der SPD-Fraktion angehört, bezeichnete es als sinnvoll, Flüchtlinge mit geringen Chancen nicht erst in den Kommunen unterzubringen.

Die CDU-Fraktion kommentierte den Vorstoß überhaupt nicht. Ihr Innenexperte Christian Hartmann sagte, man kenne die Pläne für das Projekt lediglich aus den Medien. Die Abgeordneten drängten nun auf exakte Angaben von der Regierung, dann erst wollten sie sich positionieren. Damit forderte Hartmann den Ministerpräsidenten und den Innenminister auf, die eigene Fraktion zu informieren – ein zumindest ungewöhnlicher Vorgang, der die Schwierigkeit des Themas zeigt.

Grüne und Linke lehnten gesonderte Kapazitäten für bestimmte Flüchtlingsgruppen ab. „Ein solches Camp würde kein Verfahren verkürzen“, sagte der Linkenabgeordnete Enrico Stange. Im Übrigen könnte es auch zu psychisch schwierigen Konstellationen führen, wenn Menschen mit guten Bleibechancen mit denen zusammenlebten, die bald abgeschoben werden. Stange sprach von „Staatsversagen“ und „populistischen Stammtischparolen“. Für die Grünen bemängelte Valentin Lippmann, dass die Regierung kein tragfähiges Unterbringungskonzept vorgelegt habe.

Nach der bislang aktuellen Bundesprognose vom Mai rechnet Sachsen im laufenden Jahr mit rund 23 000 Asylbewerbern. Doch fast alle Fachpolitiker gehen von einem Anstieg aus. Der CDU-Politiker Hartmann sagte, dass bis zu 600 000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen könnten. Dann müsste Sachsen nach dem aktuellen Verteilungsschüssel rund 30 000 Menschen aufnehmen.

Fraktionsübergreifende Einigkeit gab es beim Thema Zeltunterkünfte. Ab September oder Oktober sollen die Menschen in Containern wohnen. Die Linke bezeichnete das als Interimslösung. Ziel müsse die Unterbringung in Häusern sein.