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Knobelsdorfer Familie in Not

Eine Fernsehsendung sollte den Richters ein schönes Zuhause bescheren. Jetzt sollen sie 160 000 Euro zahlen.

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© Christian Juppe

Von Nadja Laske

Knobelsdorf. Auch aufgehübscht ist das „Horrorhaus“ kein unbeschwerter Ort. Vor acht Jahren ließ die RTL-Deko-Queen Tine Wittler ihr Team in Knobelsdorf (Landkreis Mittelsachsen) anrücken, um den ramponierten Vierseitenhof der Familie Richter fernsehwirksam zu sanieren. Für die Sendung „Einsatz in 4 Wänden“ beworben hatte sich Lisa Richter, damals noch ein Teenager. Sie war es leid, in einem heruntergekommenen Gehöft zu hausen, für dessen Erneuerung auf ewig das Geld fehlte. Die Lebensumstände damals beschreibt sie als katastrophal: „Ich habe mich geschämt, Freundinnen zu mir nach Hause einzuladen.“

Vor acht Jahren war die Welt von Lisa Richter (links) und ihrer Mutter Annerose noch in Ordnung. Gerade hatte RTL-Deko-Queen Tine Wittler das Haus der Familie aufgehübscht. Nun verlangt das Finanzamt nachträglich Geld.
Vor acht Jahren war die Welt von Lisa Richter (links) und ihrer Mutter Annerose noch in Ordnung. Gerade hatte RTL-Deko-Queen Tine Wittler das Haus der Familie aufgehübscht. Nun verlangt das Finanzamt nachträglich Geld. © Archiv/dth
Als Teenagerin schrieb Lisa Richter dem RTL-Team diesen Brief.
Als Teenagerin schrieb Lisa Richter dem RTL-Team diesen Brief. © Christian Juppe

Inzwischen hat sie ein schönes Zuhause – und ist deswegen nun ein Fall für Peter Escher. Der Moderator betreibt von Dresden aus den Onlineratgeber „Escherhilft.“ und nimmt sich Richters Dilemma an: Das Finanzamt fordert von Lisas Onkel knapp 160 000 Euro Einkommenssteuer. Mit ihm zusammen bewohnen Lisa und ihre Mutter das Haus, doch Einkommen hat er nicht. Mit einer unheilbaren Lungenkrankheit liegt er im Bett und ist ein Pflegefall. Die Forderung der Behörde hat für ihn und den Rest der Familie eine utopische Dimension. „Mein Onkel war damals sehr zögerlich. Ich musste ihn dazu überreden, uns über Tine Wittlers Sendung helfen zu lassen“, sagt Lisa. Deshalb fühle sie sich verantwortlich.

Undurchsichtiges Schreiben

Als Kindergärtnerin wird auch sie nie die Möglichkeit haben, diese immense Summe zu zahlen. Ob das von der Familie überhaupt verlangt werden kann, prüft nun Peter Escher mit Unterstützung des Medienanwaltes Thomas Dahmen. „Es kann sein, dass ein Anspruch dem Grunde nach besteht“, sagt er. Auf welcher Grundlage die Beamten jedoch die Steuerlast von 160 000 Euro berechnet haben, soll ihm erst einer erklären. Rechnungen über Handwerkerleistungen und Materialkosten liegen seines Wissens nicht vor. Die Zahlen erscheinen ihm diffus. Von 360 000 Euro Sanierungskosten netto ist die Rede. Abzüglich und zuzüglich undurchsichtiger Posten dreht sich der angebliche Vorteil der Familie Richter um rund 273 000 Euro.

Schelte gegenüber Fernseh-Kollegen

Über Vertragsinhalte zwischen Richters und der Berliner Produktionsfirma MME Moviement darf er öffentlich nicht sprechen. Doch den Vorwurf, die Protagonisten des TV-Helferformates nicht gewarnt zu haben, verkneift er sich nicht. Auch Peter Escher stimmt in die Kollegenschelte ein. RTL habe Bedürftige in Schwierigkeiten laufen lassen, die noch größer sind, als zuvor. Und ein weiteres, grundsätzliches Problem sieht Escher: Er selbst hat 18 Jahre lang im MDR Menschen aus schwierigen Lebenssituationen geholfen. Auch sein Online-Portal, für das er mit dem Dresdner Rechtsanwalt Frank Hannig kooperiert, lebt von Filmen über die großen Dramen kleiner Leute. „Wenn ihnen im Sinn des sogenannten geldwerten Vorteils Steuern abverlangt werden können, stellt das alle Formate infrage, die Menschen finanziell unter die Arme greifen“, sagt er.

Aber nicht zwingend lauern böse Bescheide. Von insgesamt rund 80 Sendungen mit Ruinenretterin Tine Wittler bekamen nicht einmal zehn Protagonisten Stress mit dem Fiskus. Das Döbelner Finanzamt allerdings nimmt die Sache sehr genau, mehr noch die übergeordnete Behörde in Chemnitz, sagt Thomas Dahmen. Die „beabsichtigt“, die Produktionsfirma um Auskünfte zu ersuchen, die eine Bemessungsgrundlage bieten könnten. So steht es in einem Schreiben vom 22. März.

Anwalt Dahmen hat unterdessen beantragt, die Vollstreckung des Steuerbescheides auszusetzen. Eine Entscheidung steht noch aus. „Wenn unser Antrag abgelehnt wird, droht eine Zwangsversteigerung des Hofes“, sagt er. „Wahrscheinlich wird der Verkauf nicht so viel Geld einbringen, wie die Steuer beträgt. Dann hätte Familie Richter ihr Haus verloren und immer noch Schulden.“ Eine fatale Lage, die Peter Escher verhindern will. Und Lisa? Sie will Frieden. „Ich wünsche mir, dass mein Onkel noch möglichst viel unbeschwerte Zeit in seinem Zuhause verbringen kann.“