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Knastvögel für den Jugendarrest

Hühner aus Großenhain sollen in einem Dresdner Gefängnis für gute Stimmung sorgen. Sie machen ihre Arbeit gut.

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© K.-D. Brühl

Von Susanne Plecher

Berlusconi ist der Star im Jugendarrest. Der weiß-grau gefiederte Zwerghahn flattert auf das Dach des Hühnerhauses, plustert sich auf und kräht. „Das macht er ganz schön oft, manchmal geht das schon morgens um drei Uhr los“, sagt Nick und blinzelt zum Hahn hinüber. Nick sitzt im Jugendarrest der Justizvollzugsanstalt Hammerweg in Dresden ein.

Berlusconi und die Hühner Gudrun, Bärbel und Chantal bieten ihm eine willkommene Abwechslung im Arrestalltag. Das liebe Federvieh war eine Spende des Großenhainer Geflügelhofes und lebt seit Oktober hier. Es soll helfen, straffällig gewordenen Jugendlichen eine Tagesstruktur zu geben. Die jungen Männer, die hier zwischen zwei und vier Wochen verbringen, müssen füttern, ausmisten und eine Checkliste über alle Aufgaben führen.

Berlusconis Kamm schwillt. Er kräht und kräht. Seinen Namen haben ihm „die Jungs“ gegeben. „Weil er so gerne bunga bunga macht“, sagt Ulrike Lange und lacht. Sie ist die Leiterin des Jugendarrestes und überzeugt von dem Projekt. „Wir sind eine kleine Abteilung und können keine langfristigen therapeutischen Projekte anbieten. Aber was möglich ist, das machen wir“, sagt sie. Die Idee mit den „Knastvögeln“ habe von Anfang an funktioniert.

„Man kommt über die Tiere selbst mit sehr aggressiven oder verschlossenen Jugendlichen ins Gespräch.“ Dann führt man eine ganz normale Unterhaltung über Hühner, nicht über Vergehen oder Strafen. „Das ist eine gute Kommunikationsbrücke“, sagt Lydia Wolff. Die Sozial- und Kunsttherapeutin arbeitet für das Xenos-Projekt „Plan b“ von Inpro Dresden. Sie hat das Hühner-Projekt zusammen mit dem Großenhainer Geflügelhof angeschoben. Christian Riedel gibt Tiere und Futter, „Plan b“ kümmert sich um alles Weitere. Geld gibt es drei Jahre lang vom Ministerium für Arbeit und Soziales und vom Europäischen Sozialfonds. Schon der Bau des Geheges und des Hühnerhauses war ein Teil der Therapie. „Für die Jungs ist es gut, Verantwortung zu übernehmen, Vertrauen ausgesprochen zu bekommen und mit den Tieren zu arbeiten. Das stärkt ihr Selbstwertgefühl“, sagt Wolff. Es kann auch Aggressionen abbauen und Ablenkung schaffen, wenn sich Krisen anbahnen.

Die Jugendlichen, die hier landen, haben sich kleinerer Vergehen schuldig gemacht. Sie haben geklaut, die Schule geschwänzt, haben sich Leistungen erschlichen oder sind ohne Führerschein gefahren. Eine mehrmonatige Haftstrafe wäre nicht angemessen. Manche sind mehrmals da, so wie Nick. Für den 20-jährigen Freitaler ist es das zweite Mal. Er hat seine Auflagen nicht erfüllt: Sozialstunden, die er wegen Beamtenbeleidigung und Sachbeschädigung ableisten müsste. Jetzt leistet er täglich Hühnerdienst, zwei Wochen lang.

„Das ist cool, da hab ich was zu tun“, sagt Nick. Bei seinem täglichen einstündigen Freigang kümmert er sich um die Hühner. Bärbel und Gudrun fressen ihm sogar aus der Hand. Das zwickt ein bisschen, aber es macht Spaß. Die restliche Zeit nach dem Arbeitseinsatz verbringt Nick in seiner Zelle, ohne Handy, Fernseher, Radio. Was er macht? „Lesen. Oder schlafen.“ Lydia Wolff hat einige Fachbücher über Hühnerhaltung ausgelegt. Und zu Ostern hat Nick sogar Eier bemalt – und beim Koch- und Backkurs die Arrest-Eier verarbeitet.