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Keine Waffen für Reichsbürger mehr

Die Militarisierung der Szene hat jetzt ernste Konsequenzen. Im Landkreis Meißen wurden bereits bei mehreren Anhängern Pistolen und Gewehre sichergestellt.

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© Symbolfoto/dpa

Von Peter Anderson und Jürgen Müller

Landkreis. Da bekamen selbst Polizisten große Augen: Elf Waffen darunter Revolver, Pistolen, Flinten, Büchsen und eine Doppelflinte fanden sie in der Moritzburger Wohnung einer zur Reichsbürger-Szene gehörenden Frau. Dazu jede Menge Munition verschiedensten Kalibers, insgesamt mehrere Hundert Patronen. Besitzen durfte die Moritzburgerin das alles nicht. Denn das Landratsamt Meißen hatte ihr die Waffenbesitzkarte entzogen. Vom Meißner Amtsgericht wurde die Frau deshalb zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Waffen und Munition wurden eingezogen.

Das Beispiel aus Moritzburg ist kein Einzelfall. Illegaler Waffenbesitz hat in den letzten Jahren im Landkreis zugenommen. Oft hängen die Besitzer der Reichsbürger-Ideologie an. Sie bezweifeln die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und lehnen deren Staatsangehörigkeit sowie Gesetze ab. Mit Vorliebe basteln sie sich selbst Ausweise oder Nummernschilder und gründen eigene Regierungen. In vielen Fälle befinden sie sich in finanziellen Schwierigkeiten und versuchen, Pfändungen oder ähnliche Einschnitte zu umgehen. Bundesweit für Schlagzeilen sorgten die schwerpunktmäßig im Landkreis Meißen agierenden falschen Polizisten des Deutschen Polizeihilfswerks (DPHW). Auch sie versuchten, pseudo-staatliche Strukturen zu errichten. Einzelne Mitglieder besaßen ebenfalls Waffen. Vergangenes Jahr wurden die DPHWler in einer Prozessserie zu teils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Nur einer von 14 bekam Bewährung.

Die Militarisierung der Reichsbürger-Szene in der Region und im Freistaat ruft die Politik auf den Plan. „Potenziell gewalttätige Anhänger müssen stärker unter die Lupe genommen werden“, fordert der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Christian Hartmann. Das sei eine Aufgabe für das Landesamt für Verfassungsschutz. Auch das Operative Abwehrzentrum sollte zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten herangezogen werden, so Hartmann. Er appelliert zudem an die Wachsamkeit der staatlichen Institutionen: „Die drei Verdachtsfälle in der sächsischen Polizei zeigen, dass es Reichsbürger auch in staatlichen Institutionen geben kann. Dies können wir nicht dulden. Denn wer den deutschen Staat ablehnt, kann nicht für diesen tätig sein.“

Sachsens Innenminister Markus Ulbig kündigt unterdessen in der Leipziger Volkszeitung an, bei Reichsbürgern den Waffenschein einziehen zu lassen. Unlängst hatte ein Reichsbürger in Bayern einen Polizisten erschossen und drei weitere verletzt. Nach Darstellung Ulbigs nehmen die Überschneidungen von Reichsbürgern mit Rechtsradikalen zu. Auch in Sachsen gebe es Teilbereiche wie die Bewegungen „Der dritte Weg“ und „Weißer Rabe“, welche bereits unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stünden. Derzeit liege die Zahl dieser Beobachtungen in einem zweistelligen Bereich: „Ein bundesweites Lagebild ist erforderlich“, ergänzt Ulbig.

Nach Ansicht des Innenministers geht es auch darum, dass Mitarbeiter in den Verwaltungen handlungssicher werden. Eine Handreichung mit praktischen und rechtlichen Hinweisen zum Umgang mit Reichsbürgern werde überarbeitet. Sachsen nehme das Thema ernst. Gerichtsvollzieher könnten weiter auf Polizeischutz und Informationen über die Schuldner zurückgreifen.

Die Erfahrungen von Behörden und Gerichten im Landkreis decken sich mit Ulbigs Lagebild. Immer häufiger werden Angestellte und Beamte mit skurrilen und kryptischen Schreiben von Reichsbürgern konfrontiert. War es anfangs nur sporadisch, so erhält das Amtsgericht Meißen inzwischen wöchentlich derartige Schreiben. Dessen Direktor Michael Falk hat inzwischen Strafbefehle gegen sich angesammelt in einer Höhe von mehreren Millionen US-Dollar. Auch eine Sammelklage gegen Richter und Angestellte des Amtsgerichtes Meißen in Höhe von 39 Millionen Dollar ging schon ein. Dennoch will Falk nicht überreagieren. „Liegt kein Verdacht einer Straftat vor, landen diese Schreiben dort, wo sie hingehören: in der Ablage.“

In der Ablehnung der „Reichsbürger“ sind sich Vertreter aller Fraktionen im sächsischen Landtag einig. Nach Meinung der Abgeordneten Kerstin Köditz (Linke) hat das Innenministerium versäumt, rechtzeitig gegen sie vorzugehen. Dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) warf sie vor, keinen Überblick zu haben: „Das LfV ist kein Frühwarnsystem, sondern ein defektes Rücklicht.“ (mit dpa)