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Keine „Hetzjagd“ in Bautzen

Asylbewerber wurden am Dienstagabend bedroht und attackiert. Zudem ging ein Libyer auf einen Deutschen los. Ein Nachrichtenportal hatte zunächst von einer „Hetzjagd“ in der Stadt berichtet. Die Polizei bestätigt das nicht.

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© Uwe Soeder

Bautzen. Rechtsextreme haben am Dienstagabend in der Bautzener Innenstadt Flüchtlinge bedroht und angegriffen. Wie die Polizeidirektion Görlitz mitteilt, wurden unter anderem Steine auf Asylbewerber geworfen.

Eine „Hetzjagd“ habe es aber nicht gegeben. Die Polizei widerspricht damit einem Bericht von „Zeit Online“. Diesem zufolge sollen „40 bis 50 Rechtsextreme“ zwei Flüchtlinge durch die Stadt getrieben haben. „Ein solcher Vorfall hat nach bisherigen polizeilichen Erkenntnissen nicht stattgefunden“, sagte Polizeisprecher Tobias Sprunk. Unter der Schlagzeile „Rechtsextreme machen wieder Hetzjagd auf Flüchtlinge“ hatte das Portal über den Vorfall berichtet. Ein Reporter sei in Bautzen „zufällig Zeuge“ der Auseinandersetung geworden. Dieser Reporter hatte bereits am Dienstagabend getwittert, dass es „wieder Jagdszenen“ in der Stadt gegeben hätte.

Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens (parteilos) verurteilte die Vorfälle scharf: „Hier sind offensichtlich rechte Gruppen der Meinung, für die Mehrheit der Bevölkerung zu handeln - das ist eindeutig nicht der Fall“, sagte er. Zugleich forderte er eine stärkere Reaktion aus der Mitte der Gesellschaft: „Wir haben in Bautzen ein paar Hundert Leute, die sich für Flüchtlinge einsetzen: Sie sind das Rückgrat unserer Zivilgesellschaft. Aber die schweigende Mehrheit der Bevölkerung muss sich positionieren.“

Die Fakten: Ausgangspunkt des Geschehens war erneut der Kornmarkt, wo es bereits Mitte September zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und Asylbewerbern gekommen war. Am Dienstagabend bedrohte dort eine Gruppe von acht Männern drei junge Flüchtlinge und zwei deutsche Frauen. Nach Augenzeugenberichten handelte es sich bei den Männern um Angehörige der rechten Szene. Zwei von ihnen sollen mit einer Pistole - oder einem ähnlichen Gegenstand - in Richtung der Asylbewerber gezielt haben. Anschließend lief die Gruppe davon.

10 bis 15 Angreifer

Die Polizei habe daraufhin Kräfte aus Bautzen und den umliegenden Polizeirevieren in der Innenstadt zusammengezogen. Diese kontrollierten mehrere Fahrzeuge und stellten die Personalien von verdächtigen Personen fest. Ob diese tatsächlich am Geschehen auf dem Kornmarkt beteiligt waren, wird derzeit aber noch ermittelt.

Im Rahmen der Fahndung wurde ein weiterer Vorfall bekannt. Dieser trug sich vor dem Lidl-Markt in der Steinstraße zu. Ein 20-jähriger Libyer griff dort einen 19-jährigen Deutschen an. Die Polizei konnte den Angreifer stellen. Er war betrunken und wurde von zwei weiteren Asylbewerbern begleitet. Als sich die beiden nach der Polizeikontrolle entfernten, ging am Holzmarkt eine Gruppe von 10 bis 15 Deutschen auf sie los und bewarf sie mit Steinen. Ein Asylbewerber wurde am Bein getroffen. Angesichts der Polizei flohen die Angreifer in umliegende Höfe. Im Laufe des Abends konnte die Polizei vier Tatverdächtige im Alter von 19 bis 28 Jahren stellen.

Betrunken und bewaffnet

Ebenfalls ermittelt wird gegen einen 29-jährigen Deutschen, der kurz nach Mitternacht einen Asylbewerber mit einer Waffe bedroht haben soll. Die Polizei fand bei ihm eine Schreckschusspistole sowie geringe Mengen an Cannabis und Crystal. Der Mann war betrunken und stand unter Drogeneinfluss.

Die Ermittlungen zu allen Fällen dauern nach Polizeiangaben noch an, geführt werden sie von der Ermittlungsgruppe „Platte“, die im September nach den gewalttätigen Ausschreitungen auf dem Kornmarkt gegründet worden war.

Landratsamt besorgt

Das Landratsamt in Bautzen betrachtet die neuerlichen Vorfälle mit Sorgen.Auch deshalb, weil das Jugendamt als gesetzlicher Vertreter der Eltern für die Sicherheit der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge verantwortlich ist. Mitarbeiter wollen mit den drei betroffenen jungen Flüchtlingen über die Geschehnisse sprechen, teilte die Pressestelle der Kreisverwaltung am Mittwochnachmittag mit. „ Die jungen Flüchtlinge sollen für die aktuelle Situation in Bautzen sensibilisiert werden, um zukünftige mögliche Gefahrensituationen schnell zu erkennen und diesen zu entgehen“, so Sprecherin Frances Lein. Eine erneute Ausgangssperre zum Schutz der jugendlichen Flüchtlinge sei nach jetzigem Kenntnisstand aber nicht vorgesehen.