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Keine Gnade für Sprengstoffsammler

Ein 32-Jähriger aus Hermsdorf sammelt und lagert tonnenweise Munition. Dafür muss er nun ins Gefängnis, urteilen die Richter in Kamenz.

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© Willem Darrelmann

Von Frank Oehl

Am Ende des durchaus explosiven Prozesses am Mittwoch am Amtsgericht Kamenz atmeten auch die Ermittler und Sprengstoffgutachter hörbar auf. Sie brauchten nicht mehr in den Zeugenstand, weil der Angeklagte geständig war. Und Amtsrichter Thomas Kranke setzte dem Angeklagten Robert G. nun endlich ein deutliches Stoppzeichen. Der 32-jährige Hermsdorfer muss, wenn das Urteil, rechtskräftig geworden ist, für ein Jahr und drei Monate hinter Gitter. Diese Haftstrafe hat er sich wirklich hart erarbeitet.

G. ist ein notorischer Munitionssammler. Diese Leidenschaft hat er schon länger – mindestens zwölf Jahre, wie er einräumte. Leider konnte das gewaltige Interesse an Patronen, Kartuschen, Wurfgranaten und Treibladungen nicht in sinnvolleres Handeln umgemünzt werden. Eine Bewerbung bei einem Kampfmittelbeseitigungsdienst in Niedersachsen war gescheitert. „Es gab damals 180 Interessenten für zwei Stellen. Ich war der dritte.“ Also ging der junge Mann seiner Passion beizeiten auf illegalen Wegen nach. Er zog mit Metalldetektoren durch den Wald und betrieb Handel und Wandel mit Fundmunition. Das war nicht nur gefährlich, sondern auch zeitaufwendig – und irgendwann blieb nicht nur die Familie (G. hat zwei kleine Kinder, von denen er getrennt lebt), sondern auch der Job als Karosseriebauer auf der Strecke. Spätestens ab dem 30. März 2012 war für Robert G. die Ausübung des interessanten Handwerksberufes nicht mehr möglich.

An diesem Tag flogen ihm und einem Kumpel in Großerkmannsdorf Granatsplitter um die Ohren. Beim Ausbrennen von Fundmunition im Garten. G. verlor fast ein Bein dabei, und auch das Nachbargrundstück war betroffen. Die Explosion kam allerdings nicht aus heiterem Himmel. Und auch der Satz „Sie wissen nicht, was sie tun“ trifft hier nicht zu. G. war bereits ein Jahr zuvor vom Amtsgericht Luckenwalde wegen Verstoß gegen das Waffengesetz zu einer Geldstrafe verurteilt worden, und bereits im August 2011 in Kamenz wegen illegalen Schusswaffen- und Munitionsbesitzes zu einer Bewährungsstrafe. Geradezu Berühmtheit im negativen Sinne erlangte er schließlich kurz vor Weihnachten 2011, als die Kriminalpolizei seine Munitionssammlung in Arnsdorf aushob. Sage und schreibe drei Tonnen schleppten die Ermittler aus dem Haus an der Teichstraße. Dafür und für die grob fahrlässig herbeigeführte Sprengstoffexplosion in Erksdorf wurde G. am 7. November 2013 in Kamenz zu einer recht milden Strafe verurteilt: ein Jahr und drei Monate Haft, ausgesetzt auf eine dreijährige Bewährungszeit. Dies als „unmissverständlich letzte Warnung“, wie es hieß. Zugutegehalten wurde dem Angeklagten damals seine Geständigkeit und sein insgesamt kooperatives Verhalten vor Gericht. Und sein glaubhaft vorgebrachtes Versprechen, dem Sammeln von Fundmunition mit einem kaputten Bein nun wirklich endgültig zu entsagen.

Aber ach, der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach. Am 14. März 2016 beschlagnahmten die Ermittler in Ottendorf-Okrilla weitere 450 Kilogramm Fundmunition, teilweise noch mit TNT, Pikrinsäure, anderen Treibmitteln sowie Zündern versehen. Ein starkes Stück! Allerdings noch längst nicht alles. Robert G. vergaß nämlich mitzuteilen, dass nicht nur im angemieteten Lagerraum, sondern auch daheim in Hermsdorf noch explosive Stoffe und anderes lagerten. Hier fand am 23. Mai eine Durchsuchung statt, bei der noch einmal zwei Tonnen Munition und auch drei Metalldetektoren gefunden wurden. Das alles war jetzt angeklagt, und G. verhielt sich kooperativ und geständig. Selbstverständlich werde er nun mit dem Sammeln aufhören, er erbitte nur die Herausgabe aller leeren Kartuschen und der Detektoren, um mit dem Verkauf des Materials einen Teil der Gerichtskosten decken zu können. Die auf den Besucherbänken sitzenden Ermittler, die also nicht mehr in den Zeugenstand mussten, krümmten sich vor Schmerzen ...

Das änderte sich, als Richter Kranke, dem nicht der Ruf vorauseilt, besonders gnadenlos zu sein, sein Urteil begründete. Eine Bewährungsstrafe, wie von der Pflichtverteidigung beantragt, sei undenkbar. Das Gericht dürfe Bewährung nur gewähren, wenn es die „sichere Erwartung“ habe, dass die Zeit vom Verurteilten auch zum Innehalten und Nachdenken genutzt würde. Das erneute „Lippenbekenntnis“ sei keinesfalls ausreichend. Der verfestigte Hang zum Munitionssammeln habe G. in die Misere geführt. „Die Allgemeinheit muss vor Ihnen geschützt werden! Sie muss in Sicherheit leben können und nicht auf einem Pulverfass!“ Für eine Haftstrafe sprächen also „spezialpräventive Gründe“. Manchmal seien erst das Gefängnis und die anschließende Resozialisierung auch als eine neue Chance zu begreifen. Die Metalldetektoren und Kartuschen bleiben sicherheitshalber eingezogen. Aufatmen im Saal.