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Kein Schritt nach vorn

Sechs Jahre war Béla Bélafi Direktor der Sächsischen Bildungsagentur. Jetzt muss er zurück ins Kultusministerium.

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© kairospress

Von Carola Lauterbach

Freitags steht Schulbesuch an. In allen Regionen, allen Schularten. Zwei Stunden am Unterricht teilnehmen, Gespräche mit Leitung und Kollegium und dann – immer – mit zum Schulessen. So hält es Béla Bélafi, der strukturierte, höfliche, jugendlich erscheinende Direktor der Sächsischen Bildungsagentur (SBA) seit Langem. So sammelt er Eindrücke. Schüler und Eltern schätzen an ihm, dass er immer ansprechbar ist. Dass er Zusammenhänge erklärt. In den vergangenen sechs Jahren hat Bélafi gut 8 000 Lehrer in Sachsen einstellen dürfen. Anders als bei seinem Start in der Behörde im Jahr 2011 hat er jetzt Stellen, aber zu wenige Bewerber. Ein Spagat, den er hinbekommen will.

Am 22. Dezember schreibt er Sachsens Lehrern eine Weihnachtsmail. Freundlich würdigt er, dass sie „nicht selten bis an ihre Leistungsgrenzen“ gingen. Das sei nicht selbstverständlich und erhalte „in der Schnelllebigkeit der Zeit oft nicht die Wertschätzung“, die es verdiene. „Ich wünsche mir ein weiteres Jahr guter, vertrauensvoller Zusammenarbeit“. Die wünscht er sich auch von seinem SBA-Team. Bald weiß der 43-Jährige jedoch, dass daraus nichts wird.

Der Direktor muss seinen Schreibtisch in der Chemnitzer Schulverwaltungsbehörde räumen. Das erfährt er zwischen Weihnachten und Neujahr beim Gespräch mit Kultusministerin Brunhild Kurth.

Ein Schritt zurück

Sie erklärt ihm, dass sie anderes mit ihm vor hat. Bélafi soll ab 1. Februar Referatsleiter für die politische, mediale sowie digitale Bildung und die Migration in ihrem Hause sein. Ein neues Referat. Ein Schlüsselreferat, wie die Ministerin betont. Denn: „Das sind bedeutsame Aufgaben, die in der Gesellschaft und in der sächsischen Schulpolitik zukünftig im Fokus stehen.“

Kurth lässt verbreiten, dass sie „sehr froh“ sei, dass sich Bélafi dazu bereit erklärt habe. Durch exzellente Arbeit in der Bildungsagentur habe er sich ausgezeichnet. „Er ist genau der richtige Mann, um die anstehenden Herausforderungen zu den zukunftsweisenden Themen unserer Schulpolitik zu meistern.“

Dem ist vermutlich nichts entgegenzusetzen. Nur: Auf der Karriereleiter ist das schon eine Sprosse zurück. Erst Direktor einer großen Behörde mit den meisten Beschäftigten in Sachsen überhaupt. Dann Referatsleiter im Ministerium – neben 18 weiteren. Zurück ins Glied. Denn bereits 2010 leitete der Jurist Bélafi im Kultusministerium unter Roland Wöller Referate, eine Abteilung und das Ministerbüro, ehe ihn Wöller 2011 – zunächst kommissarisch – als SBA-Direktor nach Chemnitz schickte. Die langjährige Behördenchefin, Brunhild Kurth, hatte dort gerade auf eigenen Wunsch den Dienst quittiert. Im März 2012 wird sie Kultusministerin, nachdem ihr Vorgänger Wöller im regierungsinternen Streit um die Finanzierung von Lehrerstellen zurückgetreten war.

Dass Kurth und Wöller keine Herzensfreundschaft verband, war offensichtlich. Auch in der Staatskanzlei, so heißt es, war man „not amused“, dass Wöller einfach hinschmiss. Und Bélafi ist de facto ein Wöller-Mann. Der Letzte auf einem herausgehobenen Posten. Erleben wir jetzt eine späte Abrechnung? Nicht wenige im Kultus- und Politikbetrieb denken so. Bélafi indes lässt keinen Zweifel daran, stets sehr gut mit Kurth zusammengearbeitet zu haben. Es gäbe keine Leichen im Keller, hat er mal gesagt. Dennoch wird auch er einräumen müssen, dass er momentan tatsächlich für den Betrachter keine nach oben weisende berufliche Entwicklung hinlegt. Und: Politische Ämter kommen nach dem Wechsel ins Kultusministerium auf absehbare Zeit wohl nicht mehr in Betracht. Das ist sicher. Wie viel Bedenkzeit hat er sich erbeten? „Keine.“ Loyalität bis zur Selbstverleugnung? „Die neue Aufgabe ist wichtig und interessant. Und ich bin Beamter.“

Wie er das sagt, mag man es ihm abnehmen. Vermutlich nur die, die ihm ganz nahestehen, vermögen in sein Inneres zu schauen. Es ist noch nicht lange her, dass er einen harten Brocken zu verdauen hatte. Vielleicht noch nicht einmal verdaut hat. Die Spitzen der Dresdner CDU, seiner Partei, der er seit 1995 angehört, baten ihn Ende 2015, sich als Bildungsbürgermeister in der Landeshauptstadt zu bewerben. Inhalte, Sachthemen, gestalten – das reizte den Verwaltungsjuristen. Er stellte sich und sein Konzept der CDU-Fraktion im Stadtrat vor. Und auch die Mehrheitsfraktionen von Rot-Grün-Rot signalisierten öffentlich Zustimmung. Eigentlich schien alles klar.

Im CDU-geführten Kultusministerium wurde das natürlich zur Kenntnis genommen, und es wurden personalpolitische Entscheidungen vorbereitet. Dass indes am letzten Tag der Bewerbungsfrist der bisherige Dresdner Finanzbürgermeister, dessen Anstellung gerade auslief, seinen Hut in den Ring für den Bildungsbürgermeister warf, war ein Paukenschlag. Und ihm gab die Mehrheit der CDU-Fraktion ihre Stimme. Hinterlist, gar Verrat?

Solche Worte kämen Bélafi nie über die Lippen. Demokratie. Die Mehrheit hat so entschieden. Sein Parteifreund Patrick Schreiber, der Dresdner Landtagsabgeordnete, drückt das sehr wohl drastischer aus. Er gehört zu denen, die die Idee hatten, Bélafi für dieses Amt zu gewinnen. „Klar, präzise, mit Fachwissen ausgestattet, strukturiert, korrekt im Umgang – und er denkt politisch. Solche Talente gibt es nicht viele, die muss man aufbauen, nicht vor den Kopf stoßen“, sagt Schreiber in Richtung Stadtratsfraktion, aber auch in Richtung Staatsregierung.

Die Chance des Neuen

Wenn der künftige Ex-SBA-Direktor nun am 1. Februar seinen Platz im Kultusministerium – in seiner Heimatstadt Dresden – einnimmt, wird er ohne Zweifel wieder viel Enthusiasmus an den Tag legen. Die Themenfelder politische Bildung und Digitalisierung sind in Sachsen mehr als dringend zu beackern. Der Landesschülerrat traut ihm zu, diesbezüglich „Projekte zügig und mit der erforderlichen Konsequenz durchzusetzen“. Allerdings komme es dabei nicht nur auf Herrn Bélafi als Person an, „sondern insbesondere auf den politischen Willen der Kultusministerin“. Und weil sich digitale Bildung als kostenintensiv erweisen dürfte, bedürfe es aus Sicht der Schüler nicht zuletzt der Unterstützung des Finanzministers.

Die SPD-Schulpolitikerin Sabine Friedel sieht in dem neuen Referat eine Chance, auch für den Leiter. Hier könne man Weitsicht beweisen, indem man statt in Schuljahren in Schülergenerationen denkt. Mut, indem man Inhalte schafft, statt auf Richtlinien zu warten. Offenheit, indem man mit Schülern und Lehrern zusammenarbeitet, statt ihnen Entscheidungen vorzusetzen. Das alles traue sie Bélafi zu. Und die Grünen-Abgeordnete Petra Zais ist überzeugt: „Wenn man ihn lässt, ist Bélafi der richtige Mann für diese Stelle ist.“