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Kein Job trotz Lehramtsabschluss

Abgelehnte Gymnasiallehrer, überlastete Bildungsagentur: Warum in Sachsen viele studierte Pädagogen trotz Lehrermangel keine Stelle bekommen.

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© dpa (Symbolfoto)

Von Andrea Schawe

Mitte Juni kommt die entmutigende Mail: Sie wird im kommenden Schuljahr nicht an einem Gymnasium als Lehrerin arbeiten können, schreibt die Bildungsagentur Dresden. Sie könne aber die angehängte Ausschreibung für Internatsmentoren am Landesgymnasium St. Afra zur Kenntnis nehmen. „Offensichtlich hat die Sächsische Bildungsagentur trotz Lehrermangel keine Verwendung für mich“, sagt die junge Frau. Dabei habe sie im Januar ihr Referendariat mit sehr guten Noten abgeschlossen und würde gerne in Sachsen arbeiten. Trotzdem bekommt sie keine Stelle – kein Einzelfall.

Sachsen will zwar im kommenden Schuljahr so viele Lehrer einstellen wie noch nie. 1 400 Stellen können besetzt werden – davon allerdings nur 100 an Gymnasien. Zu wenig, meinen Experten. Allein im Schuljahr 2016/17 scheiden nach der Lehrerbedarfsprognose des Kultusministeriums 273 Gymnasiallehrer aus dem Dienst aus, im kommenden Schuljahr wird mit 282 Abgängen gerechnet.

In Dresden und Leipzig sollen je 20 Gymnasiallehrer eingestellt werden. Für sie haben sich in Dresden 179 Lehrer beworben, in Leipzig kämpfen 271 ausgebildete Pädagogen um die Stellen. Die meisten Lehrkräfte werden an Grund- und Oberschulen gebraucht: sachsenweit können jeweils rund 480 Stellen besetzt werden. Beworben haben sich allerdings nur 160 ausgebildete Grundschul- und 130 Oberschullehrer. Deswegen versucht die Bildungsagentur, Gymnasiallehrer für den Dienst an der Oberschule zu gewinnen. Sachsens Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) fordert mehr Flexibilität von den jungen Lehrern. Besonders gymnasiale Bewerber, die gute Leistungen erbracht haben, seien wenig bereit, in einer anderen Schulart zu unterrichten oder in einer ländlichen Region.

Um das zu ändern, finden Gesprächsrunden mit Vertretern der Bildungsagentur und Oberschulen statt, etwa in Leipzig. Das Klima bei den Gesprächen sei nicht freundlich. „In einigen dieser Runden müssen sich die Bewerber regelrecht anbieten und betteln“, sagt Cornelia Falken, die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke. Die Gymnasiallehrer sollten darlegen, warum sie überhaupt für den Dienst an der Oberschule geeignet seien. Zum Abschluss sei ihnen ein Vertrag zur Unterschrift vorgelegt worden, in dem weder stand an welcher Schule, noch in welchem Fach sie unterrichten sollen. „Das ist keine Wertschätzung für Lehrer.“

Über dem Bedarf einstellen?

Der Sprecher der Bildungsagentur Leipzig hält das für „Gerüchte“. Die Bewerber werden „wohlwollend umworben“, sagt Roman Schulz. Auf diesen Terminen „hat es gemenschelt“. Etwa drei solcher Stellenbörsen fanden bisher statt. Zehn bis 20 Lehreranwärter waren pro Termin eingeladen, fünf bis sechs Leiter von Oberschulen, die Lehrer brauchen, stellten sich pro Runde vor. Danach werden die Bewerber an die Schulen eingeladen. Bis jetzt konnten so in der Region Leipzig 30 bis 40 Gymnasiallehrer für die Oberschule gewonnen werden. „Ich halte das für das beste Verfahren“, sagt der Sprecher der Bildungsagentur.

Er wolle die Kritik nicht abbügeln. Dass es im Einstellungsverfahren zu Missverständnissen und Beschwerden kommen kann, liege an der enormen Arbeitsbelastung. „Die 2 800 Bewerbungsunterlagen sind Schwerstarbeit für uns. Das sind Berge von Post“, sagt Roman Schulz. „Wir sind an der Belastungsgrenze.“

Die SPD schlägt einen anderen Umgang mit den Gymnasiallehrern vor: „Wir sollten sie nicht wegschicken. Dann stellen wir eben über Bedarf ein“, fordert Sabine Friedel, die bildungspolitische Sprecherin. Auch an den großstädtischen Gymnasien gebe es genügend Arbeit. Etwa um Vorhaben wie mit Inklusion, Teamteaching und den Wechsel zur Ganztagsschule voranzubringen. Die Kultusministerin lehnt das ab. „Wir werden nicht über dem Bedarf einstellen und den ländlichen Raum hängen lassen“, sagte sie im Landtag. Um die Stundentafel abzusichern, werde es Versetzungen und Abordnungen in Bedarfsregionen sowie Klassenzusammenlegungen geben.