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Karriereende im Debakel

Die früheren Vorstände der SachsenLB, Herbert Süß und Stefan Leusder, könnten mit einer Geldauflage davon kommen.

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© dpa

Sven Heitkamp, Leipzig

Das Protokoll notiert den 35. Verhandlungstag am Leipziger Landgericht, als der Strafprozess gegen die früheren Landesbank-Vorstände Herbert Süß und Stefan Leusder eine neue Wendung nimmt. Seit Januar wird verhandelt, jetzt schlägt Richter Volker Sander den Angeklagten und der Staatsanwaltschaft vor, das Verfahren einzustellen. Die Kammer halte dabei eine Geldauflage von 80 000 Euro für jeden der beiden Ex-Bänker für angemessen, sagt der Vorsitzende. Käme es so, müssten Süß und Leusder die Summe umgehend bezahlen – dann wäre der Prozess endgültig beendet.

Der ehemalige Chef der Landesbank Sachsen, Herbert Süß, war an jedem der 35 Verhandlungstage im Prozess gegen ihn persönlich anwesend.
Der ehemalige Chef der Landesbank Sachsen, Herbert Süß, war an jedem der 35 Verhandlungstage im Prozess gegen ihn persönlich anwesend. © Sebastian Willnow

Herbert Süß war von Juli 2005 bis August 2007 Vorstandsvorsitzender der SachsenLB in Leipzig, in seiner Amtszeit kollabierte die einzige ostdeutsche Landesbank und musste notverkauft werden. Er ist heute 77 Jahre alt und er wäre zu einer solchen Einigung vor Gericht bereit – aus Opportunitätsgründen, sagt seine Leipziger Anwältin Annette Clement-Sternberger. Angesichts der großen nervlichen und gesundheitlichen Belastung und des Alters ihres Mandanten sei man bereit, sich darauf einzulassen. „Es ist ein Kompromiss.“ Auch von Stefan Leusder, heute 61 und einst SachsenLB-Vorstand für den Kapitalmarkt, ist nichts anderes zu hören. Im Fall einer Einstellung wären beide nicht vorbestraft.

Offen ist jedoch, ob auch die Staatsanwaltschaft mit diesen Bedingungen einverstanden ist. Die beiden Staatsanwälte wollen den Vorschlag des Gerichts erst prüfen und sich am nächsten Verhandlungstag, dem 1. Dezember, äußern. Stimmen alle Beteiligten zu, wäre die juristische Aufarbeitung der Landesbank-Pleite nahezu beendet. Schon zuvor waren drei Strafprozesse gegen Geldauflagen eingestellt worden: Werner Eckert zahlte 50 000 Euro, Gerrit Raupach 30 000 Euro und Hans-Jürgen Klumpp 25 000 Euro.

„Billigend in Kauf genommen“

Dass es mit Süß und Leusder erst jetzt zu einem solchen Deal kommen kann, der seit Monaten erwartet worden war, liegt nicht zuletzt an den hartnäckigen Ermittlern. Im Verfahren hätten zunächst viele offene Fragen geklärt werden müssen, betont Staatsanwältin Andrea Siler. Richter Sander hatte schon im Juni den Weg einer Einstellung angedeutet. Denn ein Vorsatz für die Untreue sei schwer zu erkennen. Mit anderen Worten: Den großen finanziellen Schaden und ihre Pflichtverletzungen hätten sie nicht absichtlich angerichtet. Jetzt, nachdem alle Zeugen gehört wurden, sei der Zeitpunkt für die Einstellung gekommen.

Die SachsenLB war 2007 wegen ausgefallener Deals im US-Immobilienmarkt beinahe in die Pleite geraten und an einem August-Wochenende an die Landesbank Baden-Württemberg notverkauft worden. Sachsens Steuerzahler bürgen seither für die Ausfälle der faulen Papiere mit bis zu 2,75 Milliarden Euro. 1,47 Milliarden Euro mussten schon gezahlt werden. Die Staatsanwaltschaft wirft Süß und Leusder dabei vor, sie hätten den Zusammenbruch der Landesbank „billigend in Kauf“ genommen und einen dreistelligen Millionenschaden angerichtet. Die Vorstände hätten die gefährlichen Investments mit Zweckgesellschaften in Dublin „planmäßig“ und „massiv“ vorangetrieben und um stolze 13 Milliarden auf 17,7 Milliarden Euro erweitert – obwohl es Anzeichen gab, dass sich der Markt verschlechterte.

Süß und Leusder indes wollten Freisprüche erreichen. Sie nannten die Vorwürfe von vornherein „unbegründet“, „absurd“ und „lebensfremd“. Es fehle jedwedes Motiv – die Finanzkrise 2007 habe niemand vorhergesagt. Die Papiere, die sich als wertlos herausstellten, seien immer bestens bewertet und alle Jahresabschlüsse bestätigt worden. Schadensersatz haben die einstigen Spitzenbanker dennoch schon gezahlt: Laut einem Vergleich mit dem Finanzministerium, den Richter Sander gestern verlas, zahlte Süß einen Sockelbetrag von 180 000 Euro, Leusder weitere 20 000 Euro. Eine exakte Abrechnung steht allerdings nach dem Prozess noch aus.

Inzwischen haben die einstigen Manager Hunderte Stunden auf der Anklagebank abgesessen. Seit dem 8. Januar bis zum Donnerstag dieser Woche wurde an 35 Tagen am Leipziger Landgericht verhandelt. Bis Ende Oktober wurden unzählige Dokumente verlesen und mehr als 40 Zeugen gehört, darunter auch der frühere Finanzminister Horst Metz. Und immer reisten die Vorstände im Anzug und mit Aktentasche nach Leipzig an, als gingen sie zur Arbeit. Sie saßen dabei, hörten zu, machten sich Notizen, fuhren sich nachdenklich über die Stirn, schüttelten den Kopf und tuschelten mit ihren Anwälten.

„Ich war zwei Jahre bei der Landesbank, und nun stehe ich schon drei Jahre vor Gericht“, sagte der Dresdner Süß gestern in einer Verhandlungspause etwas bitter. Er hätte sich einen Vergleich schon viel früher gewünscht. Und er hatte erwartet, dass es nach dem Schadensersatz-Vergleich keine strafrechtliche Verfolgung mehr geben würde. Doch die Staatsanwaltschaft entschied anders.

Seit Anfang der 90er-Jahre war Süß Vorstandschef der Sparkasse Dresden, später der Ostsächsischen Sparkasse. Kaum war er im Ruhestand, ließ er sich von Finanzminister Metz in die Pflicht nehmen, die Führung der bereits unter Beschuss geratenen Landesbank für kurze Zeit zu übernehmen. Ein Karriereende im Debakel.