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Justiz privatisiert Sicherheitskontrollen in Gerichten

Ab 1. Oktober durchsuchen Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen die Besucher. Die Justiz fürchtet um ihr Ansehen.

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Von Karin Schlottmann

Der Personalrat nennt sie „Türsteher“, die dem Ansehen der Justiz schaden. Der Präsident des Landgerichts Gilbert Häfner hält es für die ureigenste Aufgabe des Staates, selbst für die Sicherheit der Gerichtsgebäude zu sorgen. Und auch der Präsident des Oberlandesgerichts (OLG), Ulrich Hagenloch, geht davon aus, dass der Sicherheitsgewinn durch die Einstellung von Wachtmeistern deutlich höher wäre.

In den internen Stellungnahmen an Justizminister Jürgen Martens (FDP) ist die Skepsis deutlich spürbar. Doch der Minister hat sich längst entschieden. Die Sicherheitsüberprüfungen an den Landgerichten werden mit Wirkung zum 1. Oktober privatisiert. 26 Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen werden künftig in den Landgerichten Dresden, Leipzig, Chemnitz, Görlitz und Zwickau Besucher und Prozessbeteiligte nach Waffen und gefährlichen Gegenständen durchsuchen.

Bisher waren Justizwachtmeister für die Kontrollen zuständig. Einige Polizisten haben sie unterstützt. An dem Sinn der Kontrollen zweifelt niemand. Sie sind allerdings personalintensiv und stellen damit die CDU/FDP-Landesregierung vor ein Problem, will sie doch den öffentlichen Dienst verkleinern. Sie setzt auf Privatisierung – auch wenn das viel Geld kostet: 920.000 Euro will sie jährlich ausgeben, um die privaten Wachdienste zu bezahlen.

Drei Firmen haben die europaweite Ausschreibung gewonnen. Auf die Auswahl des Personals hat die Justiz keinen Einfluss. Die Unternehmen haben sich lediglich verpflichtet, dem Personal mindestens den Tariflohn zu zahlen. Außerdem müssen die Mitarbeiter einen Lehrgang besucht haben, ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen und versichern, keiner extremistischen Organisation nahe zu stehen. Damit soll verhindert werden, dass mit den neuen Kollegen „der Bock zum Gärtner“ gemacht wird, wie der Bezirkspersonalrat befürchtet.

Die 26 Sicherheitsdienstler tragen auch keine Waffen und dürfen keinen körperlichen Zwang gegen gefährliche Personen ausüben, erläutert Justizsprecherin Gesine Tews. Zur Ausstattung gehört lediglich eine Handsonde, mit der die Besucher abgetastet werden.

Folge dieser Einschränkungen ist, dass in jeder Schicht mindestens ein Justizwachtmeister die „private Konkurrenz“ überwachen muss. Da die Mitarbeiter der Sicherheitsdienste also nur in gemischten Teams arbeiten können, werden sie auch nur an den großen Gerichtsstandorten eingesetzt. „Eine Verteilung der privaten Sicherheitskräfte auf sämtliche Gerichte und Staatsanwaltschaften nach dem Gießkannenprinzip dürfte weit mehr organisatorische Probleme nach sich ziehen als personelle Vorteile bieten“, räumt das Justizministerium in einem Schreiben an die Gerichtspräsidenten ein.

Für die Gerichte dürfte die Organisation damit komplizierter werden. Dass Mitarbeiter privater Wachdienste Besuchern Auskünfte geben, in welchem Raum eine Verhandlung statt findet, wird sich mit fremdem Personal nicht realisieren lassen, kritisierte Gerichtspräsident Häfner. In seiner der SZ vorliegenden Stellungnahme weist er darauf hin, dass die Mitarbeiter an den Kontrollen das Aushängeschild der Gerichte sind. Nun müssten diese es hinnehmen, dass ein „schlecht zahlendes Unternehmen irgendwelche Mitarbeiter“ auswählt. Das erscheine ihm riskant und nicht angemessen. Die gezahlten Löhne dürften an der „Grenze des Vertretbaren“ liegen.

Die betroffenen Mitarbeiter würden ihm wohl zustimmen, wenn man sie fragte. Nach Angaben der Gewerkschaft beträgt der Mindestlohn 7,50 Euro pro Stunde. Die Sicherheitsfirmen berechnen nach SZ-Informationen einen durchschnittlichen Stundenverrechnungssatz von rund 16 Euro. Ein verbeamteter Wachtmeister im einfachen Dienst erhält zwischen rund 1.800 und 2.300 Euro monatlich. Hinzu kommen Nebenkosten wie Beihilfe, staatliche Rücklagen, Trennungsgeld, Reisekosten und Arbeitskleidung. In der Summe, so Justizsprecherin Tews, fallen für die Beschäftigung eines Wachtmeisters Kosten von rund 33 Euro je Arbeitsstunde an. OLG-Präsident Hagenloch sagt dennoch, er wünsche sich justizeigenes Personal. Da er aber jetzt dringend Unterstützung bei den Sicherheitsaufgaben benötige, sei die Teilprivatisierung „derzeit alternativlos“.