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Jedes zweite Blitzerfoto bleibt straffrei

Auf Sachsens Autobahnen wird fleißig gemessen. Doch dann passiert – häufig nichts. Warum ist das so?

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© dpa

Von Tobias Wolf

Dresden. Es sind gute Zeiten für Verkehrssünder auf Sachsens Autobahnen – und schlechte für die Verkehrssicherheit. Nur gegen eine Minderheit auffällig gewordener Autofahrer wurde im vergangenen Jahr ein Bußgeldverfahren eingeleitet.

Rund 68 000 Verkehrsverstöße, etwa wegen zu schnellen Fahrens oder zu geringen Abstands zum Vordermann, ahndeten die sächsischen Behörden. Gut 91 000 und damit fast 60 Prozent der Delikte auf Autobahnen blieben ungesühnt. Dies geht aus einer Antwort des Innenministeriums an den Landtagsabgeordneten Enrico Stange (Die Linke) hervor. Bei einem reichlichen Drittel der nicht verfolgten Delikte sei die Bildqualität der Blitzerfotos zu schlecht oder die betroffenen Autos hatten ein ausländisches Kennzeichen.

Es gebe jedoch keine Statistik, die erfasse, in welchen Ländern die Fahrzeuge zugelassen waren, sagt Pia Leson, eine Sprecherin des Innenministeriums. Zwar gebe es eine EU-Richtlinie, die die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Bußgeldbehörden verbessern soll. Sachsen setze die Richtlinie bisher jedoch nicht um, so Leson. Ein dazu nötiges Computerprogramm werde derzeit erst beschafft.

In rund 55 000 Fällen sind Verkehrsverstöße deshalb nicht verfolgt worden, weil die Verjährung drohte oder bereits eingetreten war. Laut Straßenverkehrsgesetz haben die Behörden drei Monate Zeit, Tempo- oder Abstandssündern einen Bußgeldbescheid zu schicken. Die Zahl verjährter Fälle hat sich seit dem Jahr 2010 fast versechsfacht, obwohl die Zahl der Verkehrsverstöße nahezu konstant geblieben ist.

Wie viel Geld dem Freistaat durch nicht verfolgte Delikte entgeht, lässt sich laut Innenministerium nicht beziffern. Die niedrigste Geldbuße von zehn Euro pro Verstoß zugrunde gelegt, dürfte das knapp eine Million Euro sein. Bei durchschnittlich 30 Euro pro Delikt entgingen der Staatskasse rund drei Millionen Euro.

Der Linken-Abgeordnete Enrico Stange sieht die Hauptursachen für die hohe Zahl nicht verfolgter Verkehrsverstöße bei den Behörden und deren Unfähigkeit, die Verfahren rechtzeitig einzuleiten. Es könne nichts mehr darüber hinwegtäuschen, dass neben der stetig sinkenden Zahl der Verkehrskontrollen wegen Personalmangels auch die Zentrale Bußgeldstelle Sachsens ein massives Personalproblem habe, kritisiert der Abgeordnete. Die zuständige Landesdirektion wollte das am Freitag nicht bestätigen.

Der Freistaat müsse reagieren, fordert Stange. Wenn wegen Personalmangels Verkehrsverstöße nicht mehr „gebüßt“ werden müssten, könne das die Tendenzen der Verrohung der Sitten im Straßenverkehr verstärken.