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Pegidas leere Versprechungen

Rundfunkgebühren, Säxit, Parteigründung: Was wurde eigentlich aus den vielen Montag für Montag auf den Markt geworfenen Ankündigungen von Pegida?

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Von Alexander Schneider und Ulrich Wolf

Sie sprechen so gut wie nie mit Journalisten deutscher Medien, dafür sind sie umso aktiver in Sozialen Netzwerken – die Anführer des Pegida-Bündnisses. Fast jeden Montag ist vor allem die Dresdner Innenstadt das Forum der Bewegung. Zum Ritual gehört der sogenannte Abendspaziergang. Ebenso wichtig ist aber die Kundgebung. Dort kündigen die verschiedenen Redner regelmäßig politische Aktionen an.

Wichtig ist dabei die Provokation. Pegida-Chef Lutz Bachmann teilte beispielsweise während einer Rede im Oktober mit, Innenminister Thomas de Maizière anzuzeigen. Doch eine solche Strafanzeige ist bei der Justiz weder in Dresden noch in Berlin bislang bekannt. Am 9. November, dem Jahrestag der Juden-Pogrome, erklärte Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling, „heute, 70 Jahre nach Kriegsende, den deutschen Schuldkomplex für beendet“. Im Januar rief sie auf der Leipziger Pegida-Bühne: „Wenn die Mehrheit der Bürger noch klar bei Verstand wäre, würden sie zu Mistgabeln greifen und diese volksverratenden, volksverhetzenden Eliten aus den Parlamenten, aus den Gerichten, aus den Kirchen und aus den Pressehäusern prügeln.“

Die Provokation funktionierte. Bundesweit wurde über diesen Auftritt berichtet, der Deutsche Journalistenverband erstattete sogar Strafanzeige wegen Volksverhetzung gegen Festerling. Eine Woche später versuchte sie ihren Satz mit den Mistgabeln zu erklären, diesmal wieder auf dem Dresdner Neumarkt. Es sei ein symbolisches Bild gewesen, sagte sie. Selbstverständlich distanziere sie sich von jeglicher Gewalt. Ein Rückzieher, der nur wenige Sekunden Bestand hatte. Denn unmittelbar darauf rief sie ihre Zuhörer zur „Revolution“ auf. Das Publikum dankte spontan mit der Parole „Ausmisten!“

Das Mistgabel-Beispiel zeigt: Pegida-Redner provozieren gezielt und auch kontrolliert. Und sie mischen das mit immer neuen Ankündigungen. Pegida werde Obdachlose in Dresden versorgen, Deutschland solle „raus aus der EU“ oder Sachsen „raus aus der BRD“. Auch solche Provokationen werden meist mit Riesenapplaus belohnt. Vor allem aber sind sie schnell vergessen. Es sind starke Sprüche ohne Taten.

Florian Hartleb, seit acht Monaten Mitarbeiter des Bundesverbands der mittelständischen Wirtschaft in Berlin, ist Politikwissenschaftler und Populismusforscher. Für ihn steht fest: „Akademiker machen einen Fehler, wenn sie bei Pegida Argumente suchen.“ Dem Publikum sei es vollkommen egal, was dort gesagt werde, es gehe gar nicht um Inhalte. „Es geht um die Stimmung, um Emotionen, um Ereignisse.“ Pegida-Spaziergänger hörten oft gar nicht zu. Für sie sei das Treffen selbst der eigentliche Zweck der Veranstaltung, nicht etwa ein politisches Programm. „Man trifft sich und hat ein gemeinsames Erlebnis.“

Wir haben die aufsehenerregendsten Pegida-Ankündigungen des vergangenen Jahres analysiert und überprüft, was daraus geworden ist:

Mitmischen bei den Landtagswahlen

Im Juli 2015 kündigt Pegida-Chef Lutz Bachmann an, seine Bewegung werde bei den Landtagswahlen in diesem März – also in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt – mitmischen. Eine Äußerung im Überschwang, nachdem Pegida-Kandidatin Tatjana Festerling bei der Dresdner Oberbürgermeisterwahl Anfang Juni fast zehn Prozent holte? Kandidaten der Bewegung für die drei anstehenden Landtagswahlen stehen bislang jedenfalls auf keiner Liste.

Aufruf zum Konsumboykott

Ebenfalls im Juli ruft Tatjana Festerling zum Konsumboykott auf. In einem Akt zivilen Ungehorsams sollten die Pegida-Anhänger mittwochs nicht mehr einkaufen. Der Appell hat sich als Eintagsfliege entpuppt. Lediglich an Montagabenden, dem Tag der Demonstrationen, klagen Dresdner Einzelhändler und Wirte über Umsatzrückgänge. Das aber hat ganz offensichtlich nichts mit einem gezielten Boykott zu tun.

Raus aus dem Rundfunkstaatsvertrag

Anfang August 2015 startet Pegida die Aktion „AusGEZahlt“. Mit einem Volksentscheid soll Sachsen zum Ausstieg aus dem Rundfunkstaatsvertrag gezwungen werden. Notwendig zur Annahme des Volksentscheids sind erst einmal 40 000 Unterschriften. Die Aktion bekommt eine eigene Facebook- sowie Internetseite, für die der Leipziger Ableger Legida verantwortlich zeichnet. Im Internet wird am 22. August angekündigt: „Einen aktuellen Stand der Stimmen bekommt ihr immer monatlich hier direkt auf der Facebook-Seite. Erstmalig in der nächsten Woche!“ Am 4. September heißt es: „Kein anderes Volksbegehren in Deutschland konnte innerhalb eines Monates über 12 000 wahre Unterschrift sammeln ohne Unterstützung der Medien.“

Die zuletzt gemachten Ankündigung stammen von Mitte Dezember: „In den nächsten Wochen werden wir alle gültigen Stimmen auszählen und nach PLZ sortieren. Der Stand wird dann hier bekannt gegeben.“ Bekannt aber ist derzeit: nichts.

Brisante Nachrichten auf Pegida-Leaks

Einen Monat später, im September 2015, berichtet Bachmann, er werde eine Internet-Plattform über „unhaltbare Zustände“ rund um die Flüchtlingskrise aufbauen. Von Hilfsorganisationen wie THW und DRK erreichten ihn immer mehr brisante Dokumente. Solche Leaks (Deutsch: Lecks) gebe es auch bei Polizei und Bundeswehr. Bachmann: „Stück für Stück werden wir diese Unterlagen veröffentlichen, die wir einer Anwaltskanzlei übergeben haben.“ Welche Anwälte? Welche Veröffentlichungen? Welche Exklusivität? Mit Ausnahme einer strittigen Behauptung eines Soldaten über eine Asylunterkunft in Erfurt und einiger zweifelhafter Fotos hat Pegida nichts geliefert über „unhaltbare Zustände“.

Gründung einer eigenen Partei

Ebenfalls im September 2015 gibt Bachmann bekannt, Pegida werde eine eigene Partei gründen. Er spricht von der Erarbeitung einer „basisdemokratischen Satzung“. Die Pegida-Partei werde auf kommunaler, Landes- und Bundesebene antreten. Fünf Monate später spielt dieses Thema in den Reden und Verlautbarungen keine Rolle mehr. Im Gegenteil: Erst vor drei Wochen rief Tatjana Festerling dazu auf, die AfD zu wählen – obwohl das Verhältnis zwischen den Spitzenleuten von Pegida und AfD in Sachsen zumindest zeitweise angespannt war. Populismusforscher Florian Hartleb glaubt nicht an eine Pegida-Partei. Er sagt: „Die Programmlosigkeit ist das Programm.“

Die „Festung Europa“

Am vergangenen Sonnabend lockt Pegida mit dem Aufbau der „Festung Europa“ und einem internationalen Aktionstag, an dem in mehreren Ländern die Unzufriedenen auf die Straße gehen sollen. Nicht jedoch in Breslau, wo „Pegida Polska“ ihre Veranstaltung am Freitag absagt und erklärt, nationalistische Fußballfans hätten den Organisatoren vorgeworfen, die Stadt „insgeheim germanisieren“ zu wollen. Mit Ausnahme Dresdens und Prags kommen jedoch nur wenige zu den Veranstaltungen - der erhoffte Wirbelsturm der Entrüstung gerät zum lauen Lüftchen. Politologe Hartleb verortet im Vorfeld auch diese Aktion im Mechanismus immer neuer Ankündigungen: „Jetzt eben europaweit.“ Überraschend sei das nicht, aber widersprüchlich. „Eine rechte Bewegung, die den Austritt Sachsens aus der Bundesrepublik fordert, verfolgt nun eine internationale Strategie.“

Die Sächsische Zeitung hat den Verantwortlichen von Pegida Gelegenheit und Zeit gegeben, Fragen zu den Vorhaben, Zielen und Plänen der Bewegung zu beantworten. Es kam allerdings nur eine Antwort – und zwar von Pegida-Gründer und -Fördervereinsvorsitzenden Bachmann. Sie bestand aus einem Satz: „Denken Sie sich irgendeinen Scheiß aus, wie sonst auch.“