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In Zgorzelec brennen Merkel-Bilder

Am Wochenende haben rund 150 Menschen in der Nähe der Altstadtbrücke gegen die EU-Flüchtlingspolitik protestiert.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Katarzyna Wilk-Sosnowska und Katrin Schröder

Zgorzelec.Raus aus der EU“, „Polen den Polen“ und „Belgien weint, Frankreich weint, so endet die Toleranz“: Parolen wie diese waren am Sonnabend auf der polnischen Seite der Neiße zu hören. Rund 150 Demonstranten versammelten sich ab 17 Uhr auf dem Postplatz, nur einen Steinwurf von der Altstadtbrücke entfernt, um gegen die Aufnahme von Flüchtlingen zu demonstrieren. Sie nutzten dafür das Umfeld der Gedenkfeiern in Zgorzelec, mit denen am 16. April an den Durchbruch der zweiten Polnischen Armee 1945 erinnert wird. Am deutschen Ufer wurde ausgerechnet an diesem Sonnabend das zehnjährige Bestehen des Schlesischen Museums gefeiert, wo gerade die deutsch-polnische Zusammenarbeit gewürdigt wurde.

Polnische Nationalisten marschierten auf dem Postplatz in Zgorzelec auf, die EU-Fahne liegt im Dreck.
Polnische Nationalisten marschierten auf dem Postplatz in Zgorzelec auf, die EU-Fahne liegt im Dreck. © Pawel Sosnowski/80studio.net
„Heute Immigrant – Morgen Terrorist“, heißt es auf diesem Transparent.
„Heute Immigrant – Morgen Terrorist“, heißt es auf diesem Transparent. © Pawel Sosnowski/80studio.net
Mit polnischer Nationalfahne nahm dieser Vater mit seinem Sohn an der Demo teil.
Mit polnischer Nationalfahne nahm dieser Vater mit seinem Sohn an der Demo teil. © Pawel Sosnowski/80studio.net

Die Demonstration vom Sonnabend ist der bisherige Höhepunkt nationalistischer und asylkritischer Proteste in Zgorzelec. Zuvor waren Anfang dieses Jahres in Zgorzelec Aufkleber aufgetaucht, auf denen eine durchgestrichene Moschee zu sehen war. Auf einigen Straßenschildern im Süden des Landkreises Zgorzelec hatten Nationalisten den Weg nach Zittau markiert – als Wegweiser für Flüchtlinge, wo es nach Deutschland geht.

Der Protest der polnischen Nationalisten trägt skurrile Züge, weil Polen keinen einzigen Flüchtling aus Syrien, Irak oder aus einem anderen Land des Nahen und Mittleren Ostens aufgenommen hat. Der Zgorzelecer Bürgermeister Rafal Gronicz, der als Mitglied der Bürgerplattform zu den liberalen und gemäßigten Politikern in Zgorzelec zählt, hatte allerdings der Wojewodschaft eine Absage erteilt, als die nach freien Unterkunftsplätzen für Flüchtlinge nachfragte. Andererseits sollen aber eine Million Ukrainer vor den Wirren im Osten ihres Heimatlandes nach Polen geflohen sein. Die Ukrainer, früher auch Ruthenen genannt, und die Polen verbindet eine jahrhundertelange Geschichte in Mittelosteuropa.

Die Szenerie am Sonnabend in Zgorzelec trug irreale Züge. Einige der Teilnehmer vermummten sich mit Tüchern, Mützen und Kapuzen, skandierten anti-islamische sowie EU-feindliche Parolen und schossen Feuerwerkskörper in die Luft. Andere waren mit ihren Kindern dort. Ein Teil von ihnen war von außerhalb zu der Kundgebung an die Neiße gereist, wie der Hauptredner Piotr Rybak, Anführer der Bewegung der empörten Polen, aus Breslau. Zuerst wurde die Barka abgespielt, ein religiöses Lied, das in Polen auch dank Papst Johannes Paul II. zu einer Art Volkshymne avanciert ist. Danach schrie Rybak, ein ehemaliger Mitarbeiter des rechten Präsidentschaftskandidaten Pawel Kukiz, ins Mikrofon: „Wir wollen bei uns kein Multikulti!“ Dann trat er demonstrativ auf die europäische Flagge und zündete sie an. Auch ein Foto von Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ er in Flammen aufgehen und sagte, ihr Platz sei in der Hölle. Zudem wurden Bilder des EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz und des US-Milliardärs George Soros bei der Demonstration in Zgorzelec verbrannt.

Im November vergangenen Jahres hatte Rybak bereits für Aufregung gesorgt, als er bei einer Kundgebung in Breslau eine Puppe verbrannte, die einen Juden symbolisieren sollte. Organisiert worden war die Zusammenkunft am Zgorzelecer Neiße-Ufer von der Nationalen Wiedergeburt Polens, einer rechtsextremen polnischen Partei, sowie dem Fanklub des Fußballvereins MSK Nysa Zgorzelec.

Von der Altstadtbrücke aus zogen die Demonstranten mit Transparenten durch die Straßen, auf denen „Heute Immigrant, morgen Terrorist“, „Wir wollen Repatrianten, nicht Immigranten“ und „Tod den Feinden des Vaterlandes“ zu lesen war. Der Umzug hielt am Milleniumsdenkmal in der Armia-Krajowa-Straße an, wo Unterschriften für eine Petition gesammelt wurden, die sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen wendet. Die Liste soll am Montag in der Zgorzelecer Stadtverwaltung abgegeben werden. Auch eine kleine Gruppe von Deutschen beteiligte sich an der Demonstration. Sie liefen mit Deutschlandfahnen in den Händen mit.

Außer den Teilnehmern nahmen nur einige Passanten sowie eine Handvoll Journalisten und Beobachter von der Veranstaltung Notiz. Protest gegen den Aufmarsch der Rechten gab es nicht – anders als auf der deutschen Seite. Einige wenige empörten sich im sozialen Netzwerk Facebook über die Kundgebung. So kommentierte der Zgorzelecer Journalist Janusz Pawul: „Wo ist darin die Logik, ,Polen den Polen‘ und ,Raus aus der EU‘ zu rufen, wenn man 50 Meter von der Brücke entfernt steht, die seit vielen Jahren Polen und Deutschen die Möglichkeit gibt, frei die Grenze zu überqueren?“ Er fügte hinzu: „Wenn ihr so mutig, so kompromisslos, so stolz seid, warum zeigt ihr dann nicht eure Gesichter?“

Die Veranstaltung wurde von der polnischen Polizei abgesichert, die das Geschehen zugleich aufnahm. Anhand der Aufzeichnungen wird nach Auskunft der Beamten vor Ort geprüft, ob Demonstrationsteilnehmer mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen.

Auf deutscher Seite war es nach Angaben der Polizeidirektion Görlitz zu einer Gegendemonstration gekommen. Sie verlief friedlich, hieß es am Sonntag von der Polizei.